Das war vor einem Jahr …

„Man muss die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen kann.“ Dieser spöttische Spruch von Mark Twain sei vorab den Initiatoren der „Aktionswoche gegen das Vergessen“ ins Stammbuch geschrieben....

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„Man muss die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen kann.“ Dieser spöttische Spruch von Mark Twain sei vorab den Initiatoren der „Aktionswoche gegen das Vergessen“ ins Stammbuch geschrieben. Das diese jungen Leute vielleicht nicht mehr wissen, was das ist, ein Stammbuch, das ist egal. Nicht egal kann es den Bautzenern sein, dass vom kommenden Samstag an bis zum 16. September mit einer Ausstellung vor dem Stadtmuseum, mit Videoprojektionen am Reichenturm und einer Mahndemo zu „Schauplätzen von Gewalttaten“ an die Krawalle vom 14. zum 15. September vorigen Jahres erinnert werden – weil es wohl unter einem sehr speziellen Blickwinkel geschehen wird. Zumindest muss das befürchtet werden.

Denn ist eine korrekte Darstellung der damaligen Ereignisse zu erwarten, wenn bereits in der an Presse, Funk und Fernsehen verschickten Einladung mehrfach von „Neonazis“ geschrieben wird, die sich „kurzzeitig als Herren über die Stadt“ gefühlt haben sollen? Auch von einer „Jagd auf Asylsuchende“ kann man da lesen. Und dass diese noch immer Angst vor Ausschreitungen hätten.  Es wird zudem dramatisiert: „Wenn auch nicht mehr in der Öffentlichkeit, so fanden weiterhin Angriffe auf Geflüchtete oder Andersdenkende statt.“ Andersdenkende? Wer möchte denn da auch ein wenig Opfer sein? Als Mitveranstalter der Aktionswoche werden u.a. die Parteijugend der Linken und der SPD sowie „Bautzen bleibt bunt“ genannt. Alles Andersdenken? Wie anders? Es ist das bekannte linke Spektrum, welches zu jeder Bürgerschaft gehört. Nicht mehr und nicht weniger. Es findet sein Gegenüber in einer konservativen, politisch rechten Klientel. Die ebenso dazu gehört. Und alle können meist recht gut miteinander auskommen. Etwas perfide ist deshalb der gedankenlos verallgemeinernde Satz: „Die Einwohner Bautzens gehen indes wieder ihrem Alltag nach.“

Wie wäre es, ohne allen ideologischen Schmus, mit dem offiziellen Polizeibericht, erstellt in den frühen Morgenstunden des 15. September 2016. Hier einige Auszüge, der Link zum vollständigen Original ist hinterlegt: „Am Mittwochabend ist es in der Bautzener Innenstadt zu Auseinandersetzungen zwischen jungen deutschen Frauen sowie Männern und jungen Asylbewerbern gekommen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz und verhinderte weitere Übergriffe zwischen den beiden Lagern.“ Demnach standen sich rund 80 einheimische Frauen und Männer, von denen einige aus ihrer rechtsextremen Gesinnung kein Hehl machten, etwa 20 jungen Asylbewerbern gegenüber. „Zwischen beiden Lagern war es bereits zu verbalen und tätlichen Auseinandersetzungen gekommen. Zeugen berichteten von mehreren Flaschenwürfen sowie Körperverletzungen. Auslöser der Tätlichkeiten sollen den Angaben nach Asylsuchende gewesen sein.“ Und noch ein Absatz:

„Die Beamten trennten mit einer Polizeikette die beiden Gruppierungen und forderten alle Anwesenden auf, den Platz zu verlassen. Aus der Gruppe der Asylbewerber wurden die Polizisten mit Flaschen, Holzlatten und anderen Gegenständen beworfen, worauf die Beamten Pfefferspray und den Einsatzmehrzweckstock einsetzten. Die Gruppe der Asylbewerber verließ danach den Kornmarkt und zog durch die Innenstadt in Richtung der Friedensbrücke. Die Gruppe der Deutschen teilte sich auf und folgte den Asylbewerbern auf verschiedenen Wegen. Die Streifen setzten beiden Lagern nach und hielten diese soweit wie möglich voneinander getrennt.“

Danach gab es noch einigen Zoff rund um die Unterkunft der Flüchtlinge in der Bautzener Neustadt. Schließlich kehrte Ruhe ein. Die Dramatisierung des gesamten Geschehens ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Zeitnah berichteten die Zeitungen noch objektiv. Bei ZEIT online zum Beispiel hieß es am 15. September in den Mittagsstunden sehr allgemein, „Rechte und Asylbewerber prügeln sich in Bautzen“. Allerdings schon in diesem Beitrag gab es eine des Zitierens werte Passage, die einen ahnen ließ, wie das später alles passend gemacht werden würde:

„Eine Augenzeugin vom Bündnis ‚Bautzen bleibt bunt‘ berichtet dem Tagesspiegel, dass die Asylbewerber sich wie so oft auf dem Platz aufhielten, woraufhin sich immer mehr Rechte zusammengetan hätten. Nach Einbruch der Dunkelheit seien die Asylbewerber von der Polizei aufgefordert worden, den Platz zu verlassen. Sie hätten sich aber geweigert, einige seien dann gewaltsam gegen die Beamten vorgegangen. …“ Nun die überraschende Schlussfolgerung der Augenzeugin: „Die Eskalation ging von der Polizei aus.“ Anders gesagt: Wenn du Anweisungen von Polizisten nicht befolgst und sie stattdessen tätlich angreifst, dann sind die schuld daran.  Nachträglich sollte man dieser Zeugin den Spruch des Komikers Heinz Erhardt ans Herz legen: „Sie dürfen nicht alles glauben, was Sie denken.“

Am Nachmittag des 15.9.16 wurde die Berichterstattung bei ZEIT online übrigens präzisiert: „Gewalt ging von alkoholisierten Asylbewerbern aus“. Auch „Tag 24“, der Online-Auftritt der Dresdner „Morgenpost“, meldete diesen Sachverhalt, schaute aber nicht nur auf das tagesaktuelle Geschehen. Diese Redaktion erinnerte daran, dass bereits am Samstag (10.9.16) zuvor, als angereiste rechte und linke Demonstranten in Bautzen aufeinander trafen, sich einige der ansässigen jungen Asylanten gewaltbereit gezeigt hatten. Außerdem war bei den allabendlichen Streitereien zwischen Einheimischen und Flüchtlingen rund um den Kornmarkt am Dienstag (13.9.16) ein 32-Jähriger aus Bautzen von einem der minderjährigen Asylbewerber mit einer Bierfasche angegriffen und so schwer verletzt worden, dass er ins Krankenhaus musste.

Es wurde bereits damals und es wird noch immer gern unterschlagen, dass diese Krawalle ein tagelanges Vorspiel hatten. Empfohlen sei der Beitrag der „Sächsischen Zeitung“ vom 14. September 2016, jenem Tag also, als es nachts dann eskalierte: „Situation auf dem Kornmarkt ist unerträglich“. Nur ein kurzer Auszug: „Der Bautzener Kornmarkt steht bereits seit einigen Wochen im Fokus. Der Platz ist Treffpunkt für junge Deutsche und junge Asylbewerber. Vor allem abends und nachts kommt es immer wieder zu lautstarken Auseinandersetzungen.“ Erst als es zu spät war, am 16. September, versicherte der Bautzener Oberbürgermeister auf der Lokalseite der „SZ“ seinen Bürgern: „Wir bekommen die Lage in den Griff“. Mit dieser Äußerung lag er nah dran am Kanzlerinnen-Spruch „Wir schaffen das“.

Leider machten extremistische rechte und linke Reisekader die Situation unnötig brisant. Dabei zeigte das verschärfte Sicherheitskonzept der Polizei schon Wirkung. In Bautzen normalisierte sich die Lage. Was wohl nicht allen gefiel. Um ein Häufchen von Rechten, rund 50 an der Zahl, die am Kornmarkt demonstrieren wollten, mal so richtig zu beeindrucken, marschierte am Sonntag (18. September) zur Kaffeestunde die Antifa in der Stadt auf. Tags darauf berichtete die lokale „SZ“ unter der Überschrift „Protest von rechts und links“ sehr anschaulich darüber: „Kapuzen, Mundschutz, Sonnenbrillen, Handschuhe mit verdächtigen Beulen – vor der diesigen Kulisse des Bautzener Bahnhofs hat sich am Sonntag um 16 Uhr eine schwarze Masse aufgebaut. Antifa-Gruppen aus Bautzen und Dresden haben ihre Anhänger zum Protest nach Bautzen gerufen. Etwa einhundert Polizisten in Kampfmontur halten sich bereit.“

Rund 450 Mann stark zogen die martialischen linken Protestler durch die Straßen der Stadt. Zu tun gab es für sie aber nichts. Tja, wenn sie früher aus dem Bett und einen Zug eher gekommen wären. Da sprach nämlich unterhalb des Reichenturms noch eine rechte Politaktivistin zu ihren etwa 20 Getreuen. Dort wurden sogar schwarz-rot-goldenen Fahnen geschwenkt. Na wenn das keine Provokation war!

Nach der Gewaltorgie beim Hamburger G20-Treffen anno 2017 kann man aus heutiger Sicht sagen: Noch mal davon gekommen. Aber als die Antifa jüngst in Wurzen als linkes Bündnis „Irgendwo in Deutschland“ demonstrieren ließ, verbarrikadierten sich die Einwohner vorsichtshalber. Von vernagelten Fenstern und heruntergelassenen Rollladen schrieb die „Leipziger Volkszeitung“. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Veranstalter der Bautzener „Aktionswoche gegen das Vergessen“ nicht solche schwarzgewandeten Gesinnungsfreunde aus Dresden und Leipzig eingeladen haben. Am 16. September soll es nachmittags eine Demonstration unter dem Motto „Laufend erinnern“ geben.

Doch zurück zu den Bautzener Septembertagen vor einem Jahr. Schlagzeilen der lokalen Berichterstattung waren „Bautzens neuer Plan für die Platte“ und „Neue Regeln für junge Flüchtlinge“ sowie „Wir müssen auch mit den Rechten reden“. Ja, auch das. Schon damals. Der Oberbürgermeister selbst wollte es darauf ankommen lassen. Es gab Kritik an dieser Haltung, doch keine hysterische Kampagne, um ihn abzusetzen. Wie sich doch die Zeiten ändern.

Aber nicht alles ist auf einmal ganz anders: „Im Fokus der Ermittlungen“ stand bereits damals ein gewisser „King Abode“. Er soll im Frühherbst 2016 einer der Rädelsführer auf dem Kornmarkt gewesen sein. Außerdem musste ihn die Polizei einige Tage zuvor bereits einmal festnehmen; ein Foto in der „Sächsischen Zeitung“ vom 23. September 2016 zeigt ihn, auf dem Straßenpflaster liegend, in der Obhut uniformierter Beamter. Als es ihm in der Nacht vom 27. zum 28. Juli 2017 bei provozierten Krawallen in Bautzen erneut passierte, war das also für den Libyer nichts Ungewohntes. Trotzdem ist dieser Mehrfach-Kriminelle so etwas wie ein lebendes Maskottchen für einige linke Mitmenschen. Vielleicht will jemand in einem Jahr – zur Erinnerung an diese erneute Festnahme – die Steinstraße, wo es passierte, in King Abode-Straße umbenennen. Das wäre doch ein guter Anlass für einen Aktionstag (Ironie!).

Hans-Georg Prause

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