Friedensgebet und Feindbildstörung

War das nun eine Fortsetzung jenes Bürgerforums, das einen Monat zuvor in der Maria-und-Martha-Kirche stattgefunden hatte? Oder erlebte Bautzen am vorigen Freitagabend so ganz beiläufig die Eröffnung des...

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War das nun eine Fortsetzung jenes Bürgerforums, das einen Monat zuvor in der Maria-und-Martha-Kirche stattgefunden hatte? Oder erlebte Bautzen am vorigen Freitagabend so ganz beiläufig die Eröffnung des Wahlkampfjahres? Im Dom St. Petri trafen sich viele Bautzener und zahlreiche Gäste zu einem Friedensgebet als Ausdruck des gesellschaftlichen Miteinanders. Anschließend daran wurde der Platz vor dem Gotteshaus zu einer Stätte der persönlichen Begegnungen. Es fiel durchaus auf, dass einige bekannte CDU-Politiker unter den 350 bis 400 Teilnehmern waren. Einen Video-Bericht darüber finden Sie auf YouTube.

Fast zur gleichen Zeit gab es auf der anderen Seite des Rathauses eine Kundgebung des DGB, der Fraueninitiative Bautzen sowie der Parteien Die Linke, SPD und Grüne. Anlass war der Internationale Frauentag; es ging um das Grundgesetz, um die Gleichberechtigung … Dazu fanden sich, großzügig geschätzt, rund 150 Menschen ein. Es wurden Reden gehalten. Tapfer twitterte Silvio Lang, stellvertretender Landesvorsitzender der Partei Die Linke: „Dunkel und kalt, aber doch ein Licht in #Dunkeldeutschland“. Jedoch, ach wie gruselig: „Leider im Umfeld auch Nazigruppen unterwegs.“ Merke: Nach Bautzen fahren – ganz gefährlich!

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es bekanntlich nicht dasselbe. Wäre aber eine gemeinsame Veranstaltung nicht besser gewesen? An den Örtlichkeiten kann es nicht gelegen haben. Diese liegen nur ein sprichwörtlichen Katzensprung auseinander. Für wen war es denn wohl schwieriger, über den eigenen Schatten zu springen? Das Friedensgebet war schon beizeiten und ganz bewusst als offen auch für Menschen, die nicht gläubig sind, angekündigt worden. Ebenso, dass man danach auf dem Fleischmarkt mit leuchtenden Kerzen in den Händen noch zu Gesprächen verweilen möchte. Die andere Kundgebung war dagegen eine recht kurzfristig organisierte Angelegenheit. Gegenüber der lokalen „Sächsischen Zeitung“ argumentierte trotzdem Dana Dubil vom DGB Ostsachsen, die Besucher des Friedensgebetes könnten doch im Anschluss noch vom Fleischmarkt hinüber zum Hauptmarkt kommen. Da fällt einem das Bild ein vom Schwanz, der mit dem Hund wedelt.

Natürlich hat das alles eine Vorgeschichte. Zu den Folgen des eingangs erwähnten Bürgerforums gehörte auch, dass in Bautzen eine Protestkundgebung angemeldet wurde, deren Teilnehmer und Redner als bekennende politische Rechtsaußen wohl kaum etwas zum gesellschaftlichen Frieden in der Stadt beigetragen hätten. Die Bautzener „SZ“ schrieb von Neonazis. Jemand muss die Situation in der Stadt missdeutet haben. Also von wegen überall Nazis, alles braun, Reichsbürger, Rechtsextremisten und so … Da hoffte man auf Zuspruch. Doch viele Bautzener haben ihr Herz am rechten Fleck (ja, das ist mehrdeutig) und ein gutes Gespür dafür, wenn etwas umgangssprachlich nicht koscher ist. Das alles roch nach neuem Ärger, wenn nicht sogar nach gewollter Provokation.

Dazu sollte es nicht kommen und deshalb tat sich sofort etwas. Vom Stadtrat ging der Aufruf zu einem Friedensgebet aus. Heiner Schleppers (CDU) als Initiator konnte dafür u.a. die Kirchgemeinden beider Konfessionen gewinnen. Den SPD-Oberbürgermeister Alexander Ahrens hatte er in dieser Sache ebenfalls auf seiner Seite. Es sollte allerdings keine typische Gegendemo werden. Die Ankündigung einer solche hätte man eher seitens des links-grünen Lagers erwartet, zumal mit Annalena Schmidt eine der Leitfiguren in persona angegriffen wurde. Doch da tat sich nichts, rein gar nichts. Stattdessen twitterte @Schmanle  – und das zu lesen wird jene Menschen bestimmt motivieren, die sich öfters mal gern und gutgläubig in Lichterketten einreihen: „Kerzen helfen nicht gegen Nazis!“

Symbolik hin, Geringschätzung her – die Zivilgesellschaft zeigte sich wehrhaft und setzte ihre Zeichen. Manch einer dürfte sich die Augen gerieben haben, weil plötzlich die Feindbild-Schablone nicht mehr passte. Selbst die Bautzener „SZ“ meldete, dass „Initiativen rund um den Unternehmer Jörg Drews“ – unter anderem „Wir sind Deutschland“, der Verein „Bautzener Frieden“ und das Bürgerbündnis Bautzen – in einer gemeinsamen Erklärung dazu aufgerufen haben, nicht an dieser Demo teilzunehmen. Die Begründung für diesen Schritt: „Wir haben in den nächsten Monaten die Möglichkeit, uns mit Frau Schmidt im Rahmen des Stadtrat-Wahlkampfes auf sachlicher Ebene auseinanderzusetzen.“ Es muss ebenfalls verstörend gewirkt haben, dass sich auch die im politischen Umfeld der Identitären Bewegung zu verortende „Altstadt Revolte Bautzen“ in der Sache öffentlich zu Wort meldete und davor warnte, dass das „angespannte Verhältnis“ in der Stadt ausgenutzt werden soll.

Das alles zusammen hatte Erfolg. Die umstrittene Kundgebung wurde bereits tags darauf vom Anmelder selbst abgesagt. Um eine mögliche Eskalation zu vermeiden, so hieß es. Es könnte auch sein, dass damit nur das Gesicht gewahrt werden sollte. Ganz sicher aber hatte man auf mehr positive Resonanz in Bautzen gehofft. Doch die gab es nicht, ganz im Gegenteil.

Tja, wer das Böse will, der schafft – frei nach Goethe – manchmal eben das Gute. Verlassen darf sich aber keiner darauf. Die Bautzener Stadtgesellschaft ist in diesen Tagen wieder ein gutes Stück zusammengerückt. Es ist jedoch mehr als nur einen Gedanken wert, allein schon deshalb die Friedensgebete fortzuführen. Ohne dass diese, das walte Gott!, in den Sog des Wahlkampfes geraten. Denn wussten Sie, dass laut Annalena Schmidt (ja, schon wieder sie) der Rechtsextremismus in Bautzen gar nicht das größte Problem ist? Die Antwort findet sich in einem Interview der grünen Stadtratskandidatin mit dem Internetportal GMX: „Ich wünsche mir endlich klare Haltung auch von der CDU. Die CDU ist – sehr überspitzt gesagt – das größte Problem in Bautzen, der Rechtsextremismus ist es nicht.“

Ja, sie treibt’s mal wieder auf die Spitze. Wen das wirklich noch interessiert: Den Beitrag „Von Neonazis und Reichsbürgern – Was ist los in Bautzen, Frau Schmidt?“ finden Sie komplett online als Nachlese.

Hans-Georg Prause

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