Gekaufte Stadtpolitik?

„Zu geil, wie sich da auch Stadträte auf sie einschießen und Hr. D. in den A… äh ich meine Hr. D. verteidigen.“ Das twitterte unlängst Steffen Grundmann an...

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„Zu geil, wie sich da auch Stadträte auf sie einschießen und Hr. D. in den A… äh ich meine Hr. D. verteidigen.“ Das twitterte unlängst Steffen Grundmann an @Goethes_Erbse. Uninteressant ist, wer sich hinter diesem albernen Fake-Account versteckt und wer sich da auf wen einschießt. Mit „Hr. D.“ dürfte aber Jörg Drews gemeint sein. Dieser Bautzener Unternehmer (Hentschke Bau) wird wegen seiner politischen Meinung und des daraus resultierenden gesellschaftlichen Tuns von einigen Leuten heftig kritisiert, andererseits von vielen Bautzenern für sein bürgerliches Engagement gelobt. Das ist nicht wirklich neu. Aber dass der Verfasser dieses Tweets für die Partei „Die Linke“ selbst im Bautzener Stadtrat sitzt und – mit drei Auslassungspunkten nur schlecht verbrämt – einige seiner Kolleginnen und Kollegen in diesem Gremium indirekt als – pardon, weil ohne drei Punkte – Arschkriecher bezeichnet, das ist nicht nur unflätig. Es dürfte auch nicht ohne Auswirkungen auf die Arbeit des Stadtparlamentes bleiben. Denn solche Äußerungen sind kaum eine gute Basis für sachorientiertes Arbeiten.

Für jemanden, der selbst nicht in der Social Media-Welt von Twitter, Facebook etc. lebt, sondern nur ab und an ein Mitleser ist, war es ziemlich ernüchtern, erfahren zu müssen, wie wenig Wertschätzung die von den Bürgern gewählten, ausnahmslos ehrenamtlich tätigen Stadträte sowie auch die Mitarbeiter der Stadtverwaltung seitens mancher Zeitgenossen erfahren. „Ganz ehrlich: Mit wenigen Ausnahmen ist die Stadtpolitik doch gekauft. Das wird leider immer deutlicher …“ Also ganz ehrlich, Annalena Schmidt, eine solche Behauptung in den Raum zu stellen, schreit doch geradezu nach Belegen und Beweisen. Diesen Einwand hätte man nun eigentlich von Claus Gruhl erwarten dürfen, der selbst für die Grünen im Stadtrat sitzt. Stattdessen mahnt dieser bei seiner Antwort an @Schmanle lediglich zur Vorsicht: „… das ist eine Grauzone, da spielen viele Faktoren mit, am häufigsten ist unreflektierte Einfalt, gekauft ist im Einzelfall möglich, ich sage nur Dampflok.“ Allerdings schiebt er bald eine Korrektur nach: „Das mit der Dampflok nehme ich zurück, man hätte den Eindruck bekommen können, war aber wohl nicht so.“ Was für ein halbherziges Dementi – „… war aber wohl nicht so.“ Stehen bleiben also der Vorwurf der Einfältigkeit und – wesentlich brisanter – der möglichen Käuflichkeit im Einzelfall.

Nun kann man natürlich der Meinung sein, was bei Twitter steht, das bleibt bei Twitter. Seit die lokale Tageszeitung jedoch Herrn Grundmann und Herrn Gruhl ein Podium geboten hat, wird das Thema öffentlich diskutiert. Den SZ-Artikel finden Sie hier und in diesem auch einen Link zum Twitter-Account von Annalena Schmidt, über den ein Großteil der Diskussion lief. Was Sie dort nicht finden, sind jene Tweets, die den Anlass für diese Kolumne gaben. Manches war da wirklich zu bizarr, anderes zumindest nicht nachvollziehbar.

So klagt zum Beispiel Annalena Schmidt: „Meinungsfreiheit ist super, aber wehe es gibt Kritik am Hauptsponsor von @FSVBudissa.“ Tatsächlich haben die Fußballer von Budissa Bautzen die Kritik an ihrem Hauptsponsor, also Hentschke Bau, nicht einfach so hingenommen. Wie es auch andere Vereine und Einrichtung nicht taten, denen Jörg Drews seit Jahr und Tag finanziell und organisatorisch zur Seite steht. In der „SZ“ gab es zudem einschlägige Leserbriefe von Bautzener Bürgern. Das heißt: Die Kritiker sahen sich plötzlich selbst der Kritik ausgesetzt. Insofern hat Frau Schmidt durchaus Recht: Meinungsfreiheit ist super.

Deshalb stand es ihr z.B. unlängst auch frei, eine Kolumne des Bautzener Boten über die Druschba Friedensfahrt einfach mit den diskriminierenden Hashtags #Querfront bzw. #Reichsbürger zu versehen und anzumerken: „Man muss gar nicht tief wühlen und recherchieren …“ Das muss man tatsächlich nicht, weil da keiner etwas zu verbergen hat. Nur hat eine solche willkürliche Zuordnung mit Toleranz ebenso wenig zu tun wie mit Demokratie. Wen wundert es also, dass sich manch einer in Bautzen fragt, „dieser ätzenden Stadt“ (Originalton A. Schmidt), wie ausgerechnet diese Frau zu einer diese beiden Prämissen im Namen tragenden Auszeichnung kam. Noch vor einem knappen Jahr, als @Schmanle mal wieder nach „Brown under“ (das steht bei ihr für Bautzen) reisen musste, verkürzte sie sich die Wartezeit mit diesem Tweet: „Ich könnte kotzen, heulen oder was auch immer. Ggf. auch alles gleichzeitig. …“ Später relativierte sie diesen Einblick in ihr Seelenleben zwar dahingehend, sie fühle sich inzwischen in Bautzen ganz wohl. Oder so ähnlich. Doch kann sie akzeptieren, dass eine funktionierende Stadtgesellschaft verschiedene Facetten hat, ja haben muss? Und jetzt diese vielleicht persönlich motivierte, auf jeden Fall aber sträflich leichtfertige Unterstellung, die Stadtpolitik sei käuflich. Selbst der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) bekannte ja schon mal öffentlich, er persönlich hätte sie nicht zur Botschafterin für Demokratie und Toleranz vorgeschlagen.

Zu dumm, diese Äußerung fiel auch noch bei einem Doppelinterview ausgerechnet mit Jörg Drews bei Oberlausitz TV . Es ging um die Bautzener Stadtentwicklung und, ja, auch um unterschiedliche bis kontroverse politische Stadtpunkte. So ein offenes Gespräch ist unter Erwachsenen eben möglich. Der Bautzener OB stellte dabei u.a. fest, er halte es für eine Dreistigkeit, Jörg Drews in die Ecke der sogenannten Reichsbürger zu stellen. Ach so, und um diesen Gedanken abzuschließen: Noch vor seinem Urlaub hat Alexander Ahrens die deutschen und sorbischen Teilnehmer der Druschba-Reise aus der Region Bautzen – also die unter #Querfront- und #Reichsbürger-Verdacht gestellten – zu einem Gespräch im Rathaus empfangen. Wie sie erzählten,  waren sie sehr angetan davon, wie interessiert sich der OB gezeigt habe.

Jörg Drews hat sich seinerseits inzwischen in einem weiteren Interview mit OLHS.TV  zu den Vorwürfen gegen ihn geäußert. Über den bei YouTube zu sehenden Beitrag, produziert von engagierten Bürgern, die in ihrer Freizeit lokales Fernsehen machen, berichtete dann sogar die Sächsische Zeitung. Zitiert wird Drews u.a. mit dem Satz: „Ich bin mit dem, was die Kanzlerin gemacht hat, als sie 2015 die Grenzen öffnete, nicht einverstanden. Ich halte es für einen Rechtsbruch.“ @BautzenWatch (wie selbstentlarvend, Orwell lässt grüßen) mutmaßte da gleich mal ins Blaue hinein: „In der AfD soll er also auch sein der Herr.“ Als Beleg für die AfD-Mitgliedschaft wird ein Beitrag von „Sonnenstaatland“ gepostet, also einem anderen Account, der ebenfalls die Öffentlichkeit scheut. Immerhin mit Klarnamen meldete sich „Bautzen bleibt bunt“ zu Wort. Da wird zu Geschäftsführer Drews bemerkt, „laut Vertrag“ müsse dieser „einen Teil seines Gehalts in Projekte stecken“. Ganz egal, was das nun wieder bedeuten soll, von @BautzenWatch wird es gepostet. Auf Nachfrage (übrigens von Steffen Grundmann) heißt es dann: „Wir haben hier das geteilt, was #Bautzen bleibt bunt veröffentlicht hat. Deren Quellen sind vertrauenswürdig, uns aber derzeit noch nicht bekannt. Details folgen, sollten wir eine Antwort bekommen.“ Tja, so funktioniert das.

Nun, hoffentlich kommt die Antwort nicht zu spät, denn als Gastbeitrag hat ein Marcel Fischer auf der Homepage www.schmanle.de inzwischen einen „Nachruf auf die Drews-Debatte“ veröffentlicht. Demnach sei diese entschieden. „Drei Fraktionen des Stadtrates, die insgesamt 20 von 33 Stadträten umfassen, verteidigen Drews.“ Also 13 tun das nicht? Stehen sie damit hinter Grundmann und Gruhl? Schauen wir mal auf die Stellungnahmen:

Für die CDU sind „pauschale Verurteilungen und Verunglimpfungen nicht akzeptabel“ und die SPD „fordert eine Versachlichung der Diskussion“ um den Bautzener Unternehmer, würdigt dessen wertvollen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben in der Stadt und der Region, auch wenn die Fraktion, wie es heißt, Teile der politischen Überzeugungen von Herrn Drews nicht teile. Weder Pro noch Kontra gibt es bislang von den Linken im Stadtrat. Das ist umso bemerkenswerter, ist doch Steffen Grundmann der Vorsitzende dieser Fraktion. Bei der FDP und dem Bürgerbündnis Bautzen wird man dagegen sehr deutlich:

„Wir verwehren uns ausdrücklich gegen die Behauptung, unsere Entscheidungen als Stadträte wären eigennützig oder manipuliert zum Vorteil einzelner Unternehmer. Diesen Vorwurf der Korruption finden wir ungeheuerlich. Dieser Umgangston diffamiert den Stadtrat insgesamt. Diejenigen, die solche Vorwürfe vorbringen, sollten sie umgehend beweisen und wenn sie das nicht können, müssen sie ihr Stadtratsmandat bzw. die Auszeichnung als Demokratiebotschafterin niederlegen.“

Nachruf hin oder her – das alles könnte also noch ein Nachspiel haben. In dieser Woche tagen Bau-, Finanz- und Hauptausschuss. Der Stadtrat selbst kommt am 29. August zu seiner ersten großen Sitzung nach der Sommerpause zusammen. Es dürfte Gesprächsbedarf geben.

Hans-Georg Prause

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