Wenn die Kleiderordnung gegen linke Etikette verstößt

Seit wann ist politisches Wohlverhalten die Voraussetzung für den Erhalt von steuerfinanzierten Fördermitteln? Diese Frage stellt sich tatsächlich und das nicht irgendwo, sondern ganz aktuell in Bautzen. Ein...

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Seit wann ist politisches Wohlverhalten die Voraussetzung für den Erhalt von steuerfinanzierten Fördermitteln? Diese Frage stellt sich tatsächlich und das nicht irgendwo, sondern ganz aktuell in Bautzen. Ein Stadtrat der Linken, Steffen Grundmann, legte der Stadtverwaltung nahe, sich genau zu überlegen, ob ein kleiner ortsansässiger Verein – gemeint sind die Fußballer des SV Bautzen – weiter finanziell unterstützt werden kann. Und es ist ihm ernst damit: Er könne nicht anders. Er spreche, weil er nicht wegschauen will. Das ist furchtbar pathetisch, stand aber so in der „Sächsischen Zeitung“ unter der Überschrift „Fragwürdiger Sponsor“.

Nun gut, das Lutherjahr ist noch nicht vorbei. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“ So wurden des Reformators Worte am Ende seiner Rede auf dem Reichstag 1521 in Worms überliefert. Auch wenn er diesen Satz gar nicht gesagt haben soll, blieb er der Nachwelt erhalten. Steffen Grundmann dürfte das verwehrt bleiben. Er sprach schließlich lediglich auf einer Stadtratssitzung in Bautzen. Es reichte jedoch, um erst den MDR und etwas später auch noch die lokale SZ dafür zu interessieren. Und deshalb ist inzwischen bekannt, um was es geht: Um die Kleiderordnung in der Kreisoberliga. Dort laufen die SV-Fußballer mit Trikots auf, die von einem Geschäft namens Nordland-Laden in Wilthen gesponsert wurden.

„Das ist kein normales Bekleidungsgeschäft. Dort gibt es Marken zu kaufen, die bei den Menschen in der rechten Szene beliebt sind.“ Dass so etwas einem Stadtrat der Linken nicht gefällt, ist nachvollziehbar. Aber, Herr Grundmann, verboten ist es nicht, oder? Kleider machen nun mal Leute. Es gibt eine bereits am Äußeren erkennbare rechte Subkultur – wie es auch eine aktivistische linke Szene gibt. Die einen bevorzugen vielleicht die Marke „Thor Steinar“, die anderen zeigen sich gern im schwarzen Outfit und tragen manchmal nicht nur bei Kälte eine blickdichte Sturmhaube und speziell gefütterte Handschuhe. Denen möchte Herr Grundmann aber eher nicht auf die Finger schauen, sondern er stellt lieber die Volkssport-Fußballer vom SV Bautzen an den öffentlichen Pranger. Wie können die sich denn von einem Laden unterstützen lassen, der Klamotten des ostdeutschen Modelabels „Thor Steinar“ verkauft?!

Persönlich nachfragt hat der wegen dieses Verstoßes gegen die linke Etikette so empörte Stadtrat direkt beim Verein übrigens nicht. Statt das Gespräch zu suchen, schickte er eine Mitteilung an die Stadtverwaltung. Na, das nennt man Zivilcourage. (Ironie!) Vielleicht hätte ihm Lutz Keller, er ist der SV-Vorsitzende seit 1999, zum Beispiel erklärt, wie schwer es heutzutage ist, Sponsoren zu finden. Und dass der ehrenamtlich geführte SV Bautzen monatlich eine vierstellige Summe für einen Sparkassen-Kredit abzahlen muss. Der Bau eines Kunstrasenplatzes 2004 wurde zwar vom damaligen Regierungspräsidium zur Hälfte bezahlt, doch der andere Teil lastet auf der Stadt und dem Verein. Allerdings zu gleichen Teilen, wie ungerecht ist das denn! Zumal es immer weniger zahlende Vereinsmitglieder gibt. Es ist leicht auszurechnen, dass eine Kürzung oder sogar ein Wegfall der kommunalen Beihilfe nicht absehbare Folgen für den SV Bautzen haben würde.

Doch die Initiative Steffen Grundmanns von den Linken fand im Stadtrat bereits den Beifall des SPD-Fraktionsvorsitzenden Roland Fleischer. Dessen Genosse Alexander Ahrens pflichtete ebenfalls bei. Die Ankündigung des Oberbürgermeisters, „mit der Vereinsspitze reden zu wollen“, muss dabei einen gewissen Unterton gehabt haben. Die berichtende SZ-Redakteurin schrieb: „Eine leere Drohung ist das nicht.“ Dem Artikel zufolge gab Ahrens ein wenig den starken Mann. Man habe bereits der Boxabteilung des SV Post Germania wegen des Sponsors Nordland-Laden die Mittel für die Bautzener Boxnacht gestrichen. Zwischenfrage: Mit welchem Erfolg? Der OB müsste eigentlich wissen, dass trotzdem die 4. Auflage der Boxnacht kürzlich auf dem Schützenplatz stattfand. Die Sporthalle war brechend voll, die Stimmung großartig. Auf solche Events sollte eine Stadt eigentlich stolz sein.

Stattdessen aber wollen Leute in Bautzen den Ton angeben, die eine Art gesinnungsethischen Masochismus pflegen. Es ist doch kein Zufall, wie schnell strittige Themen tendenziös in den Medien platziert werden. Nehmen wir nur mal die aktuelle Sache mit dem SV Bautzen und die Berichte darüber im MDR. Dort hat man spätestens seit der misslungenen Heiligsprechung des auffällig gewordenen und als Asylant erneut abgelehnten King Abode wahrscheinlich seine Informanten in der Stadt. Vielleicht sind diese Zuträger auch von sich aus an den Heimatsender heran getreten. Das Ergebnis stimmt so oder so bedenklich. Soziale Medien als journalistische Quelle, ernsthaft? Viel Zeit zur eigenen Recherche nahm man sich beim MDR jedenfalls nicht. Stattdessen wurden dann Sätze wie dieser formuliert: „Vereinsvorstand Lutz Keller wollte sich heute auf MDR-Anfrage zum neuen Sponsor nicht äußern und vertröstete auf morgen Abend.“ Aber es ist entweder kein guter Stil oder sogar böse Absicht, am Montag einen Berufstätigen auf seiner Arbeitsstelle anzurufen, um ihn nach dessen ehrenamtlicher Tätigkeit zu befragen, dann sein Angebot zu einem Gespräch am Tag darauf, also am Dienstag, nach der Arbeit im Verein zu akzeptieren, allerdings trotzdem den auch ihn betreffenden Beitrag noch am Montag zu senden und zudem online zu stellen.

Übrigens wartete Lutz Keller wie abgesprochen am Dienstag ab 17 Uhr im Verein auf jemanden vom MDR. Vergebens, klar. Dabei wollte er doch zu gern wissen, wieso zu dem Beitrag über den SV Bautzen und den Nordland-Laden ein Foto gestellt wurde, auf dem ganz groß das Logo „Thor Steinar“ prangt. Das war und ist tatsächlich zumindest irreführend. Was Keller in einem Brief (vom 30.11.17) an Karola Wille, ARD-Vorsitzende und MDR-Intendantin, so ausdrückte: „Bereits das Bild, mit dem der Beitrag provokativ aufgemacht wird, suggeriert dem Betrachter, der SV Bautzen habe die Marke Thor Steinar als Sponsor. Wir aber haben mit dem Textilgeschäft Nordland in Wilthen, vor der Saison 2017/2018, eine Sponsorenvereinbarung über den Erwerb eines Trikotsatzes abgeschlossen und nicht mit einer speziellen Marke, die dieser Händler vertreibt.“

Der Vereinsvorsitzende hätte auch noch darauf verweisen können, dass es doch nicht verboten ist, die Thor Steinar-Kleidung im Angebot zu haben. Nicht zur Werbung, sondern nur als Faktencheck sei hier auf Amazon verwiesen. Dort sind 759 Ergebnisse oder Vorschläge für diese Marke ausgewiesen. Also bitte Vorsicht! Wer demnach bei diesem Internet-Großhändler einkauft, macht sich irgendwie schuldig – zumindest in den Augen linker Gesinnungswächter. Doch auch Lutz Keller wird bewusst sein, dass es eigentlich gar nicht so sehr um seinen Verein geht. Man schlägt den Sack und meint den Esel. Es kann einen schon erschrecken, dass es in der Hand des Kulturbüros Sachsen liegen soll, den Westlausitzer Fußballverband (WFV) dabei zu beraten, welche Trikotwerbung statthaft ist. Der „Bautzener Bote“ veröffentlichte dazu bereits im Juli 2016 eine Kolumne mit der Überschrift „Alles braun? Vor wem und was uns das Kulturbüro warnt“.

Der WFV-Chef Gojko Sinde wird übrigens in der SZ zitiert: „Wir können einem Verein nicht einfach so vorschreiben, mit wem er zusammenarbeitet.“ Und er ergänzt: „Wenn wir rechtlich etwas in der Hand hätten, wäre es leichter.“ Nur gibt es eben rein rechtlich gesehen weder etwas gegen die Marke „Thor Steinar“, noch gegen das Geschäft Nordland-Laden und gleich gar nicht gegen den Verein SV Bautzen einzuwenden. Da sind nach Lage der Dinge bislang nur linke Be- und Empfindlichkeiten im Spiel. Aber diese allein können doch kein Maßstab für unser aller Zusammenleben sein.

Ehrenamtlich geführte Vereine sind das Rückgrat der Zivilgesellschaft. Es kann nicht nur von Steuergeldern finanzierte Demokratieprojekte geben. Warum werden „Ehrenamtler in Sachsen dringend gesucht“, wie jüngst die „SZ“ meldete? Laut Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) sind sie „eine der wichtigsten Grundlagen unseres Zusammenlebens überhaupt“. Im Vergleich der Bundesländer liegt Sachsen jedoch auf einem hinteren Platz. Tja, warum wohl? Es bleibt jedenfalls abzuwarten, wie der Bautzener Stadtrat mehrheitlich die eingangs gestellte Frage beantwortet.

Hans-Georg Prause

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