Aber der Aufschrei bleibt aus

Als Anfang Januar eine Streife der Verkehrspolizei nahe Bautzen auf der Autobahn A4 einen Transport mit Panzerhaubitzen stoppte und für einige Tage stilllegte, weil die Fahrzeuge so ziemlich...

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Als Anfang Januar eine Streife der Verkehrspolizei nahe Bautzen auf der Autobahn A4 einen Transport mit Panzerhaubitzen stoppte und für einige Tage stilllegte, weil die Fahrzeuge so ziemlich allen Anforderungen an eine vorschriftsmäßige Beförderung widersprachen, gab es für dieses couragierte Handeln viel Lob von vielen Seiten. In Zeiten, da es unverhüllte Forderungen gibt, zivile Strukturen an eine mögliche militärische Nutzung anzupassen, hatte dieser Vorgang etwas hoffnungsvoll Symbolisches. Mit einem Augenzwinkern könnte man anmerken: Eigentlich schade, dass da der „Bautzener Friedenspreis“ für dieses Jahr schon vergeben war.

Nun gut, es war im Prinzip nur ein privater Transport mit militärischen Gütern. Und er kam aus Polen, eine Rückführung also. Doch ein Jahr zuvor war ein bedrohlich anmutender US-Konvoi mit Gefechtsmaterial durch die Lausitz in Richtung Osten gerollt (Operation „Atlantic Resolve“). Spätestens seit dieser Zeit sind immer mehr Menschen unruhig geworden. Sollen etwa wieder „Räder rollen für den Sieg“ (ein Reichsbahn-Slogan von 1942)? Sehr argwöhnisch wurde deshalb auch im vorigen Herbst beobachtet, dass auf dem Flugplatz Litten bei Bautzen, von der Öffentlichkeit gut abgeschirmt und mit allerlei Heimlichtuerei drumherum, Elitesoldaten der Bundeswehr ihre Übungen absolvierten. Große Militärmaschinen überflogen die Stadt; früher waren es NVA-Jagdflieger gewesen.

Lange Zeit war das alles so weit weg gewesen. Hatte Deutschland nicht gerade erst die Wehrpflicht abgeschafft, die Zahl der Soldaten verringert und manche Kaserne geschlossen? Doch nun wurde bekannt, dass voriges Jahr bei der Bundeswehr sogar über 2100 Minderjährige (!) an der Waffe ausgebildet wurden – keine Ausnahme, sondern ein Trend. Und das unentwegte Jammern über die ach so desolate Ausrüstung der Soldaten dürfte eher dazu dienen, wieder mehr Geld für das Militär locker zu machen.

Was jüngst an einschlägigen Nachrichten zu lesen, zu hören und zu sehen war, stimmt keinesfalls optimistisch. Da hilft es wenig, dass eine ehemalige Wehrkundetagung vor Jahren zur Sicherheitskonferenz mutierte. Das ist nur eine verbale Camouflage mehr. In München war eher auffallend, wie sehr sich Deutschland ohne jede Tarnung militärpolitisch wieder in Stellung bringen möchte. Der Auftritt der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte nicht zufällig etwas von einem Bewerbungsgespräch an sich. Sie plädierte für eine Aufrüstung der Bundeswehr und für mehr internationale Einsätze. Die Demokratie soll längst nicht mehr nur am Hindukusch verteidigt werden, sondern u.a. auch in Mali. Und wenn man schon mal wegen Syrien im Krisengebiet Naher Osten ist, warum sich nicht gleich noch dem Irak andienen. Auch für ein stärkeres militärisches Zusammengehen in der Europäischen Union macht sich von der Leyen stark. Trotzdem will sie ein neues NATO-Hauptquartier nach Deutschland holen.

Wen überraschte da die Nachricht, dass diese beflissene Frau als künftige Generalsekretärin des Nordatlantik-Paktes im Gespräch ist. Dabei galt sie im vorigen Jahr bei ihren eigenen Leuten doch als offensichtlich „machtpolitisch angeschlagen“. Dass sie mit der deutschen Militärführung nicht so gut konnte, war alles andere als nur ein Latrinengerücht. Merkwürdig war und ist deshalb, dass ihr die Irrungen und Wirrungen der aktuellen Regierungsfindung augenscheinlich nichts anhaben können. Vielleicht ist sie tatsächlich auf längere Sicht für höhere Weihen vorgesehen. Fragt sich nur: von wem?

Andererseits hält sich der Neuigkeitswert dieser Personalie in Grenzen. Bereits am 14. November 2017 meldete der Nachrichtensender n-tv „Das Comeback der Ursula von der Leyen“. Das Debatten-Magazin „The European“ schrieb zwei Tage darauf sogar vom „Coup der Ursula von der Leyen“. Der Text dieser Beiträge des Journalisten Wolfram Weimer hatte den gleichen Wortlaut. Es gab allerdings wohl verschiedene Zielgruppen. Weimer schreibt: „Ihre Ministerzeit bei der Truppe glich einem politischen Minenfeld.“ Zuhause in die Defensive gedrängt, ging sie jedoch in Europa in die Offensive. Mit dem Projekt Europa-Armee machte sie Schlagzeilen. „Ursula von der Leyen hat es entscheidend auf den Weg gebracht.“ Und sie habe nun „neue Optionen“, zumal sie „international vernetzt und parkettsicher“ sei. „Sollte die EU einmal einen gemeinsamen Verteidigungsminister küren, dann wäre sie die ideale Kandidatin. Auch im Hauptquartier der Nato kursiert ihr Name schon länger als Option für die Nachfolge des Norwegers Jens Stoltenberg. Traditionell stellen die USA die militärische Führung der Allianz, den zivilen Chef-Posten des Generalsekretärs nehmen die Europäer ein. Von der Leyen gilt in Nato-Kreisen als resolute Macherin und überzeugte Atlantikerin, die mit den US-Amerikanern (trotz aller Trump-Irritationen) beste Kontakte pflegt. Gerade die Pentagon-Generalität ist von ihr regelrecht fasziniert.“

Ein Journalist wie Wolfram Weimer arbeitet nicht einfach so ins Unreine. Bereits damals, als ihr selbst mancher Insider noch das Karriereende prophezeite, sagte er voraus, dass Ursula von der Leyen auch in der neuen Bundesregierung die Verteidigungsministerin sein wird. Wir werden sehen. Die Entscheidung dürfte dieser Tage fallen. Verbindungen schaden bekanntlich nur denen, die sie nicht haben. Auch und gerade in der Politik.

Wer das Buch über „Die Macher hinter den Kulissen“ von Hermann Ploppa gelesen oder seinerzeit den Vortrag dieses Politologen und Publizisten in Bautzen gehört hat, dürfte von alledem weniger überrascht sein. Aber das passiert heutzutage tatsächlich ohne demokratische Teilhabe, ohne öffentliche Kontrolle. Selbst eine doch nur noch geschäftsführende Regierung hat kein Problem damit, den ordentlich gewählten und arbeitsfähigen Bundestag bei wichtigen Entscheidungen einfach zu übergehen. Die Parteien lassen es mit sich machen. Und sie kann das auch ohne jeden medialen Aufschrei tun.

Selbst der jetzt ganz aktuell vorliegende „Sicherheitsreport 2018“ wird alles in allem kommentarlos veröffentlicht. Demnach verliert die Bevölkerung das Vertrauen in die Bundeswehr und sie lehnt es mehrheitlich ab, mehr Geld ins Militär zu investieren. „Hingegen genießt die Polizei hohes Ansehen“, heißt es in dem Bericht. Gewünscht wird demnach, mehr in die innere Sicherheit zu investieren. International gesehen gelten die USA (hinter Nordkorea) als größtes Sicherheitsrisiko. „Russland hat laut dem Report als klassisches Feindbild hingegen ausgedient“, resümiert z.B. die „Welt“. Was aber macht die Bundesregierung: Sie schickt 2018 im Vergleich zum Vorjahr dreimal so viele Soldaten (rund 12.000) in Militärmanöver – zur „Abschreckung Russlands“!      

Hans-Georg Prause

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