Von der Zumutung der Nachrichten

Der unsinnige Krieg in der Ukraine, die Sanktionen des Westens gegen Russland, die einen aber inzwischen fragen lassen, wem sie eigentlich mehr schaden, steigende Lebenshaltungskosten, eine sich abzeichnende...

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Der unsinnige Krieg in der Ukraine, die Sanktionen des Westens gegen Russland, die einen aber inzwischen fragen lassen, wem sie eigentlich mehr schaden, steigende Lebenshaltungskosten, eine sich abzeichnende Energiekrise, dazu die andauernde Inflation und ausgezehrte Spareinlagen der Bürger, was jede Altersvorsorge zum Risikokapital werden lässt, nicht zu vergessen die weiterhin Ängste schürenden Corona-Hardliner – in dieser, in unserer Welt läuft etwas gründlich falsch.

„Auf das Zeitunglesen beim Frühstück zu verzichten, nur um von den Zumutungen der Nachrichten verschont zu bleiben, ändert schließlich nur etwas an meinen Frühstücksgewohnheiten und nichts am Zustand der Welt.“ Diesen Gedanken lässt Monika Maron ihrer desillusionierten „Heldin“ Mina Wolf durch den Kopf gehen, die dann einige Seiten später Zwiesprache halten wird mit dem Raben Munin (Verlag Hoffmann und Campe: „Munin oder Chaos im Kopf“).Für die „Stuttgarter Zeitung“ sind das „rabenschwarze Nachtgedanken“, die Frage „Rechts oder Krächz?“ ein schönes Wortspiel, doch der Hintergrund ist ernst: „Schilderungen aus der Zeit vor Ausbruch des Krieges könnten, tauschte man die Akteure aus, so ähnlich auch heute zu vermelden sein.“

So steht’s geschrieben bei Monika Maron, so können wir es tagtäglich lesen in den Zeitungen. Allerdings steht das dort oft nur zwischen den Zeilen oder bleibt gänzlich unerwähnt. Vereinfachende Überschriften bringen den Leser zu leicht auf die falsche Spur. Dabei tut es not, das Abgedruckte selbst weiterzudenken. Keine Medaille hat nur eine Seite. Es sei denn, es ist Falschgeld.

Solches versuchen uns in dieser Woche die Regierungsparteien unterzujubeln, zu denen man in diesem Fall getrost CDU/CSU zählen kann. Hat sie doch, es ist noch nicht so lange her, selbst mit der SPD im Bunde jene politischen Weichen gestellt, die nun ins Nirgendwo führen könnten.

Foto: Frank Peschel

Es ist ein abgekartetes Spiel: Die CDU bringt einen Antrag in den Bundestag ein, die kämpfende Ukraine nun auch mit schweren Waffen zu beliefern, und setzt damit die Ampelkoalition unter Druck. Diese will sich nun keine Wankelmütigkeit vorwerfen lassen und wird selbst aktiv. Hinterher, wenn die Panzer und Geschütze gen Osten rollen, lässt sich leicht sagen, man habe das doch so nicht gewollt.

Dabei kann dieses parlamentarische Feigenblatt gar nicht verbergen, dass in dieser Koalition bereits lange mit dem Säbel gerasselt wird. Kaum zu glauben, doch Bundeskanzler Olaf Scholz ist mal zu loben für seine „Zögerlichkeit und Zurückhaltung“ („Tageschau“). Vielleicht hatte er wirklich Bedenken, die Furie des Krieges in der Ukraine zu füttern und damit dunkle Wolken auch über Deutschland heraufzubeschwören.

Andererseits hat er nicht eingegriffen, als seine Außenministerin fern jeder Diplomatie mehr und mehr zur Kriegsministerin mutierte. Die Grünen haben beim Marsch durch die Institutionen in Sachen politischer Camouflage, also Tarnung und Täuschung, viel gelernt. Ab und an legen die Grünen eben die Sonnenblume aus der Hand und streifen sich das olivgrüne Waffenkleid über. Man erinnere sich nur an den Krieg der NATO gegen Jugoslawien. Was Joschka Fischer damals recht war, ist Annalena Baerbock nun billig. Und das ist es auch, nämlich billig. Für Nostalgie ist bestimmt kein Platz, wenn es um Krieg und Frieden geht. Doch selbst das nüchterne „Handelsblatt“ kommentiert diese „atemberaubende Kehrtwende grüner Politiker“ mit der bildstarken Überschrift „Waffen statt Windräder“. Das hat etwas von Endgültigkeit: „Die Grünen kappen ihre pazifistischen Wurzeln“. Von Protesten aus den eigenen Reihen der einstigen Protestpartei gegen diesen Kriegskurs hört man ja wenig bis nichts.

Wenn man es einmal auf die Regierungsbank in Berlin geschafft hat, zieht man an einem Strang. Wenigstens nach außen hin. Und so hockt auch die FDP bei den Grünen im Schützengraben. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, gelobte in einem ntv-Interview am 26. April, „Wir stehen der Ukraine mit schweren Waffen zur Seite“.

Da konnte sich die SPD nicht länger lumpen lassen. Von einer Ukraine-Konferenz in Ramstein – einen „Waffengipfel“ nannte es der „FOCUS“ – kamen laut „FAZ“ noch am gleichen Tag ausgesprochen „Robuste Signale“. Übersetzt heißt das: Verteidigungsministerin Christina Lambrecht kündigte bereits die Lieferung von Gepard-Panzern an, das ist schweres Flugabwehrgerät, und wartete gar nicht erst einen Beschluss des Bundestages darüber ab. Dort sollte man sich düpiert fühlen, doch das wäre wohl zu viel verlangt.

Baerbock, Strack-Zimmermann, Lambrecht – drei Amazonen dominieren die Politik und lassen die Männer draußen Krieg spielen. Haben wir es mit der Gleichberechtigung etwa übertrieben? (Das ist ironisch gemeint!) Das alles ist verstörend. In Berlin (wie zuvor in Bonn) wird seit jeher US-amerikanische Politik gemacht. Denn wer den WK II verloren hat, ist nicht mal mehr eine rhetorische Frage. Aber muss sich Deutschland via NATO nach den Bomben auf Belgrad wieder in einen Krieg in Europa hineinziehen lassen, der diesmal grenzenlos zu werden droht? Humanitäre Hilfe, Zuflucht für Flüchtlinge, diplomatische Gespräche, Angebote von Verhandlungen – dafür gab es bislang aus Kiew kaum ein Wort des Dankes. An Vorwürfen und Forderungen – und nur noch dafür stehen inzwischen Präsident Wolodymyr Selenskyj und Botschafter Andrij Melnyk – mangelte es dagegen nicht.

Einem Deutschland, das sich einbildet, international Gewicht zu haben, wird dieses anscheinend nur noch durch „schwere Waffen“ verliehen. Kein Wunder, ist doch selbst für den Grünen-Minister Robert Habeck der Pazifismus „ein ferner Traum“ („Spiegel online“, 16. April).Trotzdem gingen einige Zehntausende bundesweit bei den Ostermärschen auf die Straße. Das waren nicht so viele wie zu Zeiten des Kalten Krieges, aber doch mehr, als man nach den Wochen der Kriegsbeschallung durch Presse, Funk und Fernsehen sowie über kastrierte Social Media-Kanäle erwarten konnte. Also ist selbst die mediale „Macht nach Acht“, sprich Tagesschau und ZDF heute (als ein Format von gestern), nicht allmächtig.Nur leider sind diese vor- und aussortierten Nachrichten und Berichte sehr bequem für alle Denkfaulen. Diese stört es auch nicht, dass in den diversen TV-Talkrunden kaum von ihren alltäglichen Problemen gesprochen wird. Wenn doch, dann nicht mit ihnen, sondern nur über sie. Wie oft wurde im Fernsehen schon über das „Entlastungspaket 2022“ debattiert, und was ist davon bisher bei den Bürgern angekommen? Ein passender Internet-Fund („Lächelbrett“) dazu: „Manche Gespräche sind so zielführend wie zwei Tage im Kreisverkehr.“Und wie heißt es doch so schön: Einen haben wir noch!

„Man könnte so viel Kluges schreiben, aber die, die es verstehen, wissen es schon. Und die, die es noch nicht wissen, würden (oder wollen!) es nicht verstehen.“ (Twitter @Mailwurm666) Überheblich? Nein, ernüchternd! Deshalb ist nach rund sieben Jahren Autorenschaft der vorliegenden Text von mir vorerst die letzte Kolumne für diese Rubrik des „Bautzener Boten“. Es ist eine Auszeit, nicht das Aus.

Ihr Hans-Georg Prause

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