Ihr Kinderlein kommet …

„Ihr Kinderlein kommet …“, heißt es in einem kirchlichen Weihnachtslied aus dem 18. Jahrhundert. Eine aktuelle Ergänzung müsste lauten: „… aber bitte nicht mehr in Bischofswerda, denn dort...

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„Ihr Kinderlein kommet …“, heißt es in einem kirchlichen Weihnachtslied aus dem 18. Jahrhundert. Eine aktuelle Ergänzung müsste lauten: „… aber bitte nicht mehr in Bischofswerda, denn dort ist der Kreißsaal jetzt zu.“ Die Frauenklinik wird nach Bautzen verlegt. Das ging zuletzt alles sehr schnell, fast wie bei einer Sturzgeburt. Noch Mitte Oktober war in der „Sächsischen Zeitung“ zu lesen, dass Ende des Jahres das Konzept stehen und im Frühjahr der Umzug in die Kreisstadt erfolgen solle. Nur wenige Wochen darauf gaben die Oberlausitz-Kliniken aber überraschend bekannt, die Schließung der Geburtenklinik erfolge bereits vor Weihnachten. Warum plötzlich diese Eile?

Es könnte daran liegen, dass die geplante Schließung der Geburtenstation nach Bekanntgabe dieser Entscheidung in der Öffentlichkeit stark kritisiert wurde. Wenn in einer kleinen Stadt und deren Umland innerhalb kurzer Zeit rund 7000 Unterschriften für den Erhalt dieser wichtigen Abteilung des örtlichen Krankenhauses gesammelt werden, dann sollte das den Verantwortlichen eigentlich zu denken geben. Vielleicht störten diese aber eher die Vorschläge und Forderungen, das alles nochmal zu überdenken. Stattdessen wurden kurzerhand Fakten geschaffen … und damit wohl sehr viele Menschen vor den Kopf gestoßen. Vielleicht erinnert man sich beim Landkreis (Gesellschafter der Oberlausitz-Kliniken) daran, wenn man mal wieder von eben diesen Bürgern mehr ehrenamtliches Engagement einfordern möchte.

Alles, was jetzt über die Bischofswerdaer Frauenklinik geschrieben wird, ist also leider ein Nachruf. Ihr wurde kein langes Überleben gewährt. Viele wissen gar nicht mehr, dass sie erst 1998 eröffnet wurde, gewissermaßen zugezogen aus dem benachbarten Großröhrsdorf. Ihr gegenwärtiges Schicksal ist auch nicht beispiellos. Die im Frühjahr 2015 erfolgte Schließung der Geburtenstation des Krankenhauses in Sebnitz machte Bischofswerda für die Region noch wichtiger. Denn kräftig gespart wird nicht erst seit heute. Und das um jeden Preis. Aber selbst wenn sich heutzutage im Gesundheitswesen fast alles um die ausreichende Finanzierung der Einrichtungen, um Personalprobleme oder um die optimale Bettenauslastung dreht, gebührt doch einer Entbindungsklinik eine besondere, sehr menschliche Zuwendung. Kinder sind unsere Zukunft, das ist so banal wie richtig. Und die Zahl von Geburten ist ein – wenn auch eher subjektiver – Standortfaktor. Voriges Jahr und das Jahr zuvor wurden in Bischofswerda jeweils rund 400 Kinder geboren; dieses Jahr sollen es ähnlich viele sein. Aber sind das dann auch die letzten gebürtigen Schiebocker?

Das muss es nicht. Wie bereits angedeutet, wurden konkrete Vorschläge gemacht, und es gibt einige fundierte Ideen. So sprach bereits Anfang November Karsten Hilse, der neue AfD-Bundestagsabgeordnete, mit Klinikchef Reiner E. Rogowski. Als Hoyerswerdaer kenne er von dort einen Frauenfacharzt, der zum neuen Jahr eine vakante Facharztstelle besetzen könnte. Und Rogowski bestätigte danach Kontakte zu diesem Gynäkologen. Aber ein Arzt allein sei nicht ausreichend. Da kam eigentlich die Zusage des Wirtschaftsförderungsvereins Bischofswerda gerade recht, bundesweit in einschlägigen Fachzeitschriften eine Anzeigenkampagne zu starten, um medizinische Fachkräfte nach Bischofswerda zu holen. Das alles hätte einige Monate an Zeit gebraucht. Darum hatte der FDP-Stadtrat Karl-Heinz John auf einer Bürgerversammlung dann gebeten. Doch sowohl die Klinikleitung wie auch der Bautzener Landrat Michael Harig als Vorsitzender des Aufsichtsrates lehnten jeden Aufschub ab. Stattdessen wurde der Termin sogar noch vorgezogen.

Um hier mit Shakespeare zu sprechen: „Ist dies schon Tollheit, so hat es doch Methode.“ Wenn die Bürger, die Kommunen, die Wirtschaft von so einschneidenden Maßnahmen wie der Schließung einer Frauenklinik nicht frühzeitig informiert werden, dann verkürzt man jede gesellschaftliche Mitwirkung auf ein zeitliches Minimum, welches keine Suche nach anderen Lösungen mehr zulässt. Im konkreten Fall möchte man es zum Beispiel gar nicht glauben, dass Holm Große, der Oberbürgermeister der Stadt Bischofswerda, erst informiert wurde, als die Entscheidung bereits gefallen war. Vielleicht ist das ja aber nur so ein Gerücht. Andreas Erler, sein Vorgänger, äußerte sich allerdings kürzlich in der „SZ“ dahingehend, dass er als CDU-Kreisrat und Mitglied des Klinik-Aufsichtsrates zwar beizeiten von den Plänen wusste, „aber kein Mitspracherecht“ hatte. Dass Maßnahmen einer Geschäftsführung von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängen, ist bei den Oberlausitz-Kliniken wohl eine sogenannte „kann“-Bestimmung.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf einen Hebammenkreißsaal. Einen solchen fordert der Ortsverband der SPD in Bischofswerda. Immerhin, dieser Vorschlag wurde bislang nicht einfach zu den Akten gelegt. Eventuell hat er mit CDU-Landrat Michael Harig laut SZ online sogar einen Fürsprecher. Er „sei nicht abgeneigt“, die Möglichkeit „müsse geprüft werden“. In diesem Artikel erläuterte die Vorsitzende Uta Strewe das Projekt wie folgt: „Der Hebammenkreißsaal ist ein Betreuungsmodell in einer Klinik, in dem die Hebammen gesunde Schwangere eigenverantwortlich vor, während und nach der Geburt ohne ärztlichen Geburtshelfer betreuen.“ Vielleicht könnte das zudem ein neues Betätigungsfeld für Hebammen sein, die freiberuflich tätig sind und denen es in letzter Zeit immer schwerer gemacht wurde, ihren Beruf auszuüben, Stichwort: steigende Haftpflichtbeiträge. Aber zum Problem könnte werden, dass es dann in Bischofswerda keine Gynäkologie mehr gibt. Die fachärztliche Kompetenz für den Fall des medizinischen Notfalls wurde nach Bautzen abgezogen. Irgendwie beißt sich also die symbolische Schlange des Äskulapstabes in den Schwanz. Oder anders gesagt: Es wird eine schwere Geburt!

Hans-Georg Prause

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