Vor 70 Jahren lieferte der Waggonbau Bautzen Obus- Beiwagen nach Dresden

    Die guten Beziehungen der Bautzner Waggonbauer nach Dresden zur Straßenbahn bzw. den Dresdner Verkehrsbetrieben laufen durch die Herstellung der neuen Stadtbahnwagen gerade wieder auf Hochtouren. Das ist...

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Die guten Beziehungen der Bautzner Waggonbauer nach Dresden zur Straßenbahn bzw. den Dresdner Verkehrsbetrieben laufen durch die Herstellung der neuen Stadtbahnwagen gerade wieder auf Hochtouren. Das ist auch nicht das erste Mal so. Weit weniger bekannt ist dagegen, dass auch einmal Obus- Anhänger an die Elbe geliefert worden sind. Diese „Beziehung“ wiederum wird in diesem Jahr 70 Jahre alt. Ausserdem kann der Dresdner Obus- Betrieb im November sein 75. Jubiläum feiern. Beides soll Anlass sein, einerseits einen Blick auf diesen Aspekt der Dresdner Verkehrsgeschichte, aber auch darauf zu werfen, was überhaupt in Sachen Obus um Bautzen herum so passiert ist. Ganz in der Nähe gab es nämlich in der Wendezeit sogar einen Obus- Verkehr in der Lausitz.

Also einmal der Reihe nach: Der erste Versuchsbetrieb in Sachsen, den man heute der Obus- Entwicklung zurechnen kann, wurde im Jahre 1901 zwischen Königstein und dem Kurbad Königsbrunn im Elbsandsteingebirge eingeweiht. Auf alten Karten ist die Strecke im unteren Bielatal „schwarz- weiß gestrichelt“ wie eine Eisenbahn markiert, und auch sprach man damals von einer „gleislosen Bahn“. Selbst weltweit war sie eine der ersten derartigen Anlagen und immerhin bis 1904 in Betrieb.

Die sogenannte Haidebahn im Dresdner Norden schaffte es dagegen nur auf ein Jahr Betriebszeit – von März 1903 bis März 1904. Von ihr gibt es ein Modell im Dresdner Verkehrsmuseum. Im Winter konnte das große Rad hinten gegen ein Paar Kufen getauscht werden. Zur Stromabnahme zog man einen „Kontaktwagen“ auf den beiden Oberleitungen mit. Sie verkehrte vom Arsenal (= Armeemuseum) nach Klotzsche, heute fährt auf der gleichen Strecke die Straßenbahn der Linie 7.

Grundsätzlich ist der Obus- Verkehr mit seiner Technik und Geschichte eine Wissenschaft für sich, weitaus vielfältiger als beispielsweise die der Straßenbahn. Nicht zuletzt gibt es mehrere Schreibweisen: O- Bus, Obus oder Oberleitungsbus. Auch sind Recherchen dort viel schwieriger, denn manche Bus- Grundtypen wurden und werden für Diesel- und Oberleitungsbetrieb gebaut und Anhänger an beide Arten angehängt. Die ganz klassische Variante ist der Bus mit zwei Stangen für Plus- und Minuspol bzw. Strom- und Erdleitung, die mit Federspannung unter den beiden Oberleitungen entlanggleiten. Auf dieser Basis gab es im Nachkriegs-Ostdeutschland eine Vielzahl von Netzen.

Der O- Bus- Verkehr in Dresden wurde nach dem zweiten Weltkrieg erst neu eingerichtet, genau genommen war es eine Notlösung. Während die Straßenbahn bereits wenige Tage nach Kriegsende zumindest in den Außenbezirken wieder den Betrieb aufnehmen konnte, sah es im ergänzenden Busnetz ganz anders aus. Es fehlte absolut an entsprechenden Fahrzeugen; sie waren entweder nicht mehr vorhanden, kaputt oder mussten als  Lastkraftwagen genutzt werden. Dem damaligen Vorstand Alfred Bockemühl gelang es, aus Werdau vom Fahrzeugbau sowohl Fahrzeuge als auch Ausrüstungen für den Obusbetrieb nach Dresden zu holen. Letztendlich konnte am 8. November 1947 die erste Teilstrecke zwischen Körnerplatz und Münchner Platz eröffnet werden, das war immerhin anderthalb Jahre vor dem regelmäßigen Omnibusverkehr mit Verbrennungsmotor (dieser am 20. Februar 1949.)

Zunächst waren aus vorhandenen Teilen aufgebaute Henschel- Fahrzeuge eingesetzt. Die Ablösung bzw. Ergänzung bildeten ab 1952 neu gebaute Obus-  Motorwagen aus Werdau, während die Beiwagen aus Bautzen kamen! Die Planwirtschaft der DDR hatte den Bau von Bus- Beiwagen u.a. dem Waggonbau Bautzen zugeteilt. Bis in die späten 1950er Jahre teilte man  sich mit dem Fahrzeugbau Werdau und dem Mähdrescherwerk Weimar in die Fertigung der Modelle W 700 und W 701. Sie konnten von Verkehrsbetrieben an Diesel- oder Obusse angehängt werden.

Der W 701 war etwas kleiner als sein Vorgänger und konnte deshalb von den O- Bussen problemloser rechtselbisch auf der relativ steilen Grundstraße vom Körnerplatz nach Bühlau gezogen werden. Das Dresdner Obus-Netz wuchs abschnittsweise und erreichte am 28. Juni 1964 seine größte Ausdehnung: 16,8 km waren es vom Willi- Ermer- Platz (in Löbtau) bis in den Vorort Weißg kurzhinter Dresden-Bühlau. Zunächst unterteilt in einzelne Intervallstrecken, befuhr später die Linie 61 die gesamte Route.

Die nächste Fahrzeuggeneration waren ab 1958 Skoda- Obusse, nach wie vor mit Bautzner Beiwagen im Schlepp, oder ab 1969 mit solchen vom polnischen Hersteller Jelcz. Der starke Verkehr zur und von der Technischen Universität und die steile Grundstraße machten den eingesetzten Fahrzeugen auf Dauer sehr zu schaffen. Ein Ersatz war unter den damaligen Verhältnissen in der DDR und dem RGW nicht in Sicht. Außerdem waren Investitionen in die aufwendige Fahrleitungstechnik unterblieben.

Wie auch die Eröffnung des Betriebes erfolgte die Umstellung auf Dieselbetrieb dann in mehreren Abschnitten, am 1. Juli 1975 rückte der letzte Obus in den Betriebshof ein. (Die Linie 61 ist trotzdem bis heute eine Art „Dauerbaustelle“ geblieben: Seit einigen Jahren wird auf altstädter Seite die Umstellung auf Straßenbahnbetrieb geplant. Denn selbst überlange Dieselbusse können das durch den TU- Betrieb stark angestiegene Verkehrsaufkommen kaum bewältigen.)

Das war aber nicht der letzte Obus- Verkehr in Sachsen gewesen! Kurz vor der Wende – die ja für niemanden vorhersehbar war – wagte die Stadt Hoyerswerda einen Neustart dieses Verkehrsmittels. Fahrzeuge waren 1988 kein Problem und es sollte teurer gewordenes sowietisches Erdöl eingespart werden (mit Strom aus heimischer Braunkohle). Die Busse entsprachen im Fahrzeugteil dem Gelenkmodell 280 von Ikarus aus Ungarn. Aufgrund der großen gesellschaftlichen Veränderungen Anfang der 1990er Jahre (Zunahme der privaten Motorisierung und Wegfall von Arbeitsplätzen, Abwanderung) wurde der Obusbetrieb aber zum Jahresende 1994 wieder eingestellt. Die maximale Streckenlänge betrug etwa 11 Kilometer, wobei nicht alle ursprünglichen Pläne verwirklicht worden waren. Der einzige heute noch existierende Obus- Betrieb in Ostdeutschland befindet sich in Eberswalde. Dorthin wurde bei Betriebseinstellung in Dresden und Hoyerswerda ein Großteil der Fahrzeuge umgesetzt.

In der Regel wurden Beiwagen in Dresden nur von Oberleitungsbussen gezogen. Ob der als Museumsfahrzeug vorhandene Wagen W 701 mit der Betriebsnummer 336 in Bautzen hergestellt worden ist, ist unsicher, denn er wurde gebraucht von einem anderen Verkehrsbetrieb übernommen. Das Baujahr dürfte etwa 1957 sein. Auch in Halle/ Saale und Mittweida (hier W 701 Reko) existieren solche Wagen. Aufgearbeitete W 700 befinden sich u.a. in Eberswalde und Berlin.

Christoph Pohl

„Der Schillerplatz in Dresden mit zwei Obus- Zügen um 1962. Der Beiwagen vom Typ W 700 rechts im Bild wurde 1952 in Bautzen hergestellt. Zwischen beiden Obussen erkennt man eine Kreuzung zwischen den Oberleitungen von Obus und Straßenbahn.“ (Aufnahme DVB AG)
Obus Nr. 169 im Depot (Aufnahme DVB AG/ Georg Beyer) „LOWA- Obus im Betriebshof, hergestellt in Werdau.“
Anhänger Nr. 336 vor dem Depot (Aufnahme DVB AG) „Anhänger des Typs W 701, wie sie im Waggonbau Bautzen gebaut wurden.“
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