Vom Kriegsfall und anderen Katastrophen

Exklusive Meldungen finden am Wochenende  besonders gute Resonanz. Es ist ja sonst nichts los, vom aktuellen Sport mal abgesehen. Und so war es bestimmt nicht zufällig die Frankfurter...

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Exklusive Meldungen finden am Wochenende  besonders gute Resonanz. Es ist ja sonst nichts los, vom aktuellen Sport mal abgesehen. Und so war es bestimmt nicht zufällig die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (kurz: F.A.S.), die über eine neue „Konzeption zivile Verteidigung“, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschließen soll, informierte. (Nachzulesen im Internet auf www.faz.net)

Was in dieser Zeitung unter der spektakulären Schlagzeile „So will die Bundesregierung im Kriegsfall reagieren“ zu lesen war, machte schnell im Internet die Runde und wurde auch eifrig kommentiert: von aufmerksamen Lesern ebenso wie von Redakteuren, die ihren Sonntagsdienst nicht nur absaßen. Bei der „Sächsischen Zeitung“ wurden für die Ausgabe am Montag allerdings nur bescheidene zehn Zeilen daraus. Na, wenigstens auf Seite 1, möchte man um des lieben Friedens willen zugestehen. Aber was sollte die Überschrift „Hamsterkäufe erwünscht“? Die mit der Karikatur daneben auch noch wörtlich genommen ins Bild gesetzt wurde (ach, wie lustig).

Der Verdacht liegt nah, dass da die Tragweite eines Themas nicht erkannt oder zumindest unterschätzt wurde. (Mit der Ausgabe am Dienstag wurde der inhaltliche Rückstand aufgeholt.) Es geht schließlich darum, was die Bevölkerung bei Katastrophen oder im Kriegsfall tun, also wie sie sich auf eine solche Situation vorbereiten soll.  Dazu gehört zum Beispiel, stets einen größeren Vorrat von Lebensmitteln im Haus zu haben. (Aber unbedingt aufs Verfallsdatum achten! Bei der „Fahne“ gab es dafür die sogenannten Komplekte-Tage.) Sie merken schon: Das alles kann man ernst nehmen oder auch nicht. Auf jeden Fall sollte man aber genauer hinschauen, was da vom Bundesinnenministerium insgesamt zu Papier gebracht worden ist. Sie wissen ja, das Kleingedruckte. Oder der Unterpunkt zum Unterpunkt. Da ist dann schnell Schluss mit lustig.

Bei Spiegel online hat man das getan, hier ein Auszug: „In dem Entwurf zum neuen Zivilschutz geht es auch – sehr knapp – darum, was passiert, wenn die Wehrpflicht, die vor fünf Jahren ausgesetzt wurde, wieder aktiviert würde. Die betreffende Stelle findet sich in einem Unterpunkt des Konzepts des Innenministeriums, in dem es um zivile ‚Unterstützung der Streitkräfte‘ für den Fall geht, dass Deutschland etwa im Rahmen von Nato-Einsätzen das Bündnisgebiet an dessen Außengrenzen verteidigen muss.“ Das reicht von der Zustellung der Einberufungsbescheide über die Unterbringung und den Transport der Rekruten bis hin zur Ernährungsnotfallvorsorge für die Truppe, sprich: Rationierung. Mehr Details dazu auf  Spiegel.de

Alles nur Gedankenspiele? Kein Mensch wird ernsthaft etwas gegen eine Überarbeitung von veralteten Anordnungen für den Zivilschutz haben. Naturkatastrophen und technische Havarien größeren Ausmaßes kann es immer geben. Aber ist es schon wieder so weit, dass wir uns auf einen Kriegsfall einstellen müssen? Nehmen wir nur einige Themen der vergangenen Wochen und Monate: Milliarden-Aufstockung des Verteidigungshaushaltes, mehr Soldaten, neue Panzer, weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr. Wohl besonders kritisch: Die Bundeswehr als Führungsnation im Baltikum? Spiegel online: „Mission am Ostrand der NATO: Bundeswehr beteiligt sich an Abschreckung gegen Russland“  Oder kann man heutzutage mit der islamistischen Terrorgefahr, die ja nicht aus dem Nichts kommt, alles rechtfertigen? Die Forderung nach dem möglichen Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist längst nicht vom Tisch.

Ach ja, es wird natürlich auch vorab geklärt, wo sich die Bundesregierung und weitere politische Führungskräfte in Sicherheit bringen können, wenn’s denn knallt. Vielleicht war es einfach weitsichtig, manche alte Bunkeranlage nicht zuzuschütten. Mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Krieges sind nur leider viele Luftschutzkeller längst zu Hobbyräumen umgebaut worden.

Nicht jeder ist schließlich ein „Prepper“. So bezeichnet man Menschen, die sich seit eh und je auf Katastrophen aller Art vorbereiten. Zehntausende soll es laut Spiegel online in Deutschland geben. Sie wollen für den Fall des größten anzunehmenden Unglücksfalls präpariert sein. Bislang wurden sie einerseits als eher harmlose Spinner belächelt, andererseits, wenn es politisch in den Kram passte, als Anhänger von Verschwörungstheorien denunziert. Plötzlich aber haben sie wohl alles richtig gemacht. Wer zuletzt lacht, lacht am besten? Hoffen wir, dass es dazu nicht kommt.

Hans-Georg Prause

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