Big Brother, Big Data und das liebe Bargeld

Wer hatte nicht schon mal Geldsorgen, so ganz privat? Dass wir alle uns um das Bargeld als solches sorgen sollten, hat dagegen gesellschaftliche Dimensionen. Darauf machte Thorsten Schulte...

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Wer hatte nicht schon mal Geldsorgen, so ganz privat? Dass wir alle uns um das Bargeld als solches sorgen sollten, hat dagegen gesellschaftliche Dimensionen. Darauf machte Thorsten Schulte am Montag bei einem Forum mit Bautzener Bürgern im Burgtheater aufmerksam. Nach den Ausführungen des ehemaligen Investmentbankers, der nach seiner Tätigkeit bei der Deutschen Bank als Kapital- und Konjunktur-Experte sowie Buchautor und „Silberjunge“ öffentlich bekannt wurde, dürften sich die Anwesenden an einen alten Spruch erinnert haben: „Nur Bares ist Wahres“.

Zur allgemeinen Situation in der Finanzwelt konstatierte „Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart am Dienstag in seinem Morning Briefing: „Die Sparersind ratlos und tief verunsichert angesichts einer Niedrigzinspolitik, die den Schuldner belohnt und den Sparer schädigt. Es gibt viele Möglichkeiten, die Menschen von Europa zu entfremden. Die Geldpolitik von EZB-Präsident Draghi scheint die effektivste zu sein. Man rettet die Banken und verliert die Bürger.“ Dass es in Europa (Stichwort Italien) nicht gut aussieht und der US-Dollar stark leidet, statt starke Leitwährung zu sein, hatte am Abend zuvor auch Thorsten Schulte anschaulich erläutert.

Aber will uns tatsächlich jemand ans Bargeld? Ist das nicht so eine „Verschwörungstheorie“? Hat sich nicht sogar die Deutsche Bundesbank kritisch geäußert, als es Anfang dieses Jahres um die 500-Euro-Banknoten ging? Von der öffentlichen Meinung ganz zu schweigen. Selbst wer so großes Geld nicht besaß, wollte es behalten. Es ist doch jetzt auch kein Thema mehr, oder? So könnte (und so soll) man wohl denken. Weil es nicht in der Zeitung steht, findet es auch nicht statt? Nichts hat sich an den Plänen der Europäischen Zentralbank geändert. Ab dem Frühjahr 2018 werden die Fünfhunderter nach und nach dem Geldumlauf entzogen. Und folgt man Thorsten Schulte, der sehr überzeugend argumentiert, ist das erst der Anfang. Denn die Abschaffung des Bargeldes gehört schon lange zur Agenda des internationalen Finanzkapitals. Der ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Kenneth Rogoff, sprach darüber bereits im November 2014 auf einer Veranstaltung des Ifo-Instituts in München, worauf die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb: „Ökonom Rogoff will Bargeld abschaffen. Und dem Harvard-Ökonom ist das bestimmt nicht erst kurz zuvor eingefallen.

Was aber soll damit erreicht werden? Ist es nicht viel bequemer, mit Karte oder Handy zu bezahlen? Nun, das dürfte das letzte sein, worüber sich die Banken und Co. wirklich Gedanken machen. Doch kostet nicht allein die Abschaffung des 500-Euro-Scheines im Rahmen der EU geschätzte 500 bis 600 Millionen Euro, wie im Handelsblatt Anfang April zu lesen war? Stimmt, doch das wiederum lässt den Schluss zu, dass sich selbst ein so hoher finanzieller (und auch logistischer) Aufwand für jene bezahlt macht, die dem Bargeld den Krieg erklärt haben (siehe auch „War on Cash“).

Die Verknappung des Bargeldes führt u.a. dazu, dass man mehr und mehr sein Geld einer Bank anvertrauen muss. Zinsen, die den Namen verdienen, gibt es jedoch schon jetzt nicht mehr. Ist es auszuschließen, dass davor eines Tages sogar ein Minus steht? Das dürfte zwar zuerst die größeren Guthaben treffen, eine eventuelle Schadenfreude über solche Negativzinsen „für Reiche“ könnte jedoch verfrüht sein. Die Kleinkunden bezahlen stattdessen vielleicht höhere Kontogebühren oder werden für jeden Buchungsvorgang zur Kasse gebeten. Einfach das Guthaben abheben und zuhause unter die Matratze legen? Das ist nicht so einfach, wenn Bargeld nur noch zögernd ausgezahlt wird. Schon jetzt kann man nicht immer problemlos an sein Geld heran. Bankautomaten zum Beispiel setzen ein Limit. Gut, das ist meist recht hoch. So muss es aber nicht bleiben. Rigorose Änderungen sind jederzeit möglich. Darüber bestimmen andere, nicht die, denen das Geld gehört.

Im Verlaufe dieses sehr gut besuchten Vortrages im großen Saal des Burgtheaters fiel sogar die drastische Formulierung, dass der Kunde, der Sparer, also der Mensch in Geldfragen zur „Geisel der Bank“ werden könnte. Ist das Bargeld knapp, muss er mit Bank- und Kreditkarten bezahlen, auf diverse Funktionen des Handys vertrauen, Online-Banking praktizieren. Das funktioniert solange, bis der Strom ausfällt, der Kartenleser defekt, der Chip beschädigt, der Akku leer ist. Oder dass Hacker das gesamte System lahm gelegt haben. Dann heißt es sprichwörtlich: „Bargeld lacht!“

Nun ist es ja nicht so, dass sich Thorsten Schulte dem modernen Zahlungsverkehr verweigert. Er warnt jedoch vor dem, was man gemein hin den „gläsernen Menschen“ nennt. Und Schulte ist kein Rufer in der Wüste. (Was ihm übrigens auch hilft, Anfeindungen auszuhalten, die ihn, weil er bestehende und sich abzeichnende gesellschaftlich Zustände kritisiert, politisch in die „rechte Ecke“ stellen wollen.) So schrieb zum Beispiel Holger Steltzner, einer der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und Ressortleiter der FAZ-Finanzredaktion, in einem Kommentar:„In einer Welt, in der alles, was man kauft und konsumiert, verfolgt wird, gibt es keine Privatheit mehr, zählt das Recht an den eigenen Daten nichts, herrscht die perfekte Kontrolle – mit allen denkbaren politischen, wirtschaftlichen oder kriminellen Konsequenzen.“

Das heißt: Big Brother meets Big Data! Es gibt sie, die “Datenkraken”, all die Datensammler, die daraus ihre Rückschlüsse ziehen und damit Geschäfte machen, wenn sie per Mausklick in Erfahrung bringen können, wer, wann, wo, wie viel für was bezahlt hat. Früher hieß es, der Feind hört mit. Das tut er vielleicht noch immer. Aber diese moderne Ausspäherei ist wie eine Einladung zum Datenmissbrauch. Gerade auch in Zeiten, wo es wieder opportun ist, Menschen zu denunzieren und zu diskriminieren, deren Meinung als nicht konform angesehen wird. Wer das Internet und soziale Medien überwachen lässt, wer das sogar mit Steuergeldern alimentiert, der dürfte kaum den Schutz privater Daten respektieren. Dagegen machen Bürgerinitiativen mobil, selbst wenn sie so selbst ins Fadenkreuz der Gedankenpolizei geraten.

„Der Gewinner einer unmittelbaren Bargeldabschaffung scheint mir in erster Linie der Staat zu sein, da er mit elektronischem Geld nicht nur unsere Zahlungen sehr gut nachvollziehen kann. Mittels dieser Information kann man darüber hinaus auch herausfinden, wer sich wann wo aufgehalten hat.“

So äußerte sich Prof. Dr. Aloys Prinz in einem Interview für die 3sat-Sendung „makro“, die Anfang Juni zu sehen war. Damals verwies die Moderatorin Eva Schmidt auch auf eine Aussage von Deutsche-Bank-Chef John Cryan, der im Januar beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos gesagt haben soll, das Bargeld werde „in den nächsten zehn Jahren verschwinden“. Aber wollte im Februar (wie eingangs erwähnt) die Deutsche Bank noch nicht mal den 500er Schein abschaffen? Merke: Man darf eben nicht alles, was Banker und Politiker sagen, für bare Münze nehmen.

Der Bautzener Vortrag von Thorsten Schulte steht auch im Internet: https://www.youtube.com/watch?v=qzf-Z42MxGU

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