Die ganze Welt im Stresstest

Das „Wort des Jahres“ ist gewählt: „Stresstest“. Eine gute Wahl. Ursprünglich bezeichnete der Ausdruck einen Test, dem sich die Banken unterziehen mussten, um festzustellen, ob sie die nächste...

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Das „Wort des Jahres“ ist gewählt: „Stresstest“. Eine gute Wahl. Ursprünglich bezeichnete der Ausdruck einen Test, dem sich die Banken unterziehen mussten, um festzustellen, ob sie die nächste Krise überstehen. Die Lehman Brothers lassen grüßen. Heute steht der Begriff „Stresstest“ in einem deutlich anderen, viel universelleren Zusammenhang. Weil es weltweit überhaupt nur noch Stress und gar nichts Schönes mehr gibt. Da muss man testen, wer stabil bleibt und wer die Nerven verliert. Zum Beispiel die deutsche Bundesregierung. Vorgestern waren es die Banken, gestern die Staaten, heute die Währung – unsere heldenhaften Politiker kommen vor lauter Rettungsstress gar nicht mehr zum Arbeiten. Eine Benotung ist nicht möglich, weil der Test noch läuft.

Und was da noch so alles gerettet werden muss! Es nimmt einfach kein Ende. Griechenland, die ganzen südeuropäischen Habenichtse, und, ganz neu: England. Die sind durch den Stresstest gerasselt. Sie haben die Nerven verloren, weil ihnen das Euro-Desaster tierisch auf den Geist geht, obwohl sie die Währung gar nicht haben. Gleiches gilt übrigens auch für die Schweiz: Dort steigt der Stress-Pegel stündlich, es wird schon von der Staatspleite gemunkelt.

Beinahe in Vergessenheit geraten: Das Klima, dessen Auguren des todbringenden Wetterwandels jüngst kaum noch Sendezeit bekamen – trotz des Weltklima-Gipfels. Wer bleibt schon cool, wenn der Kindergarten sich zum Wandertag rüstet? Testergebnis: Die Kanadier haben versagt. Echte Stressfeste machen ungerührt weiter in der weltgrößten Laberrunde, die unterm Strich überhaupt noch nie ein brauchbares Ergebnis zu Stande gebracht hat. Auch kleinere Rettungsaktionen sorgen für großen Stress. Zum Beispiel die Bundes-FDP.

Drei Prozent Wählerzuspruch, 1000 Prozent Stress. Kaum einen Hauch Luft unter die lahmen Flügel, setzt auch schon der automatische Selbstzerstörungsmechanismus ein: Nicht bestanden. Richtig Stress hat auch unser Bundespräsident, weil er sich bei einer befreundeten Unternehmersgattin klammheimlich eine halbe Million für sein privates „Schöner Wohnen“-Programm gepumpt und das seinen lieben Freunden in Niedersachsen nicht gleich brühwarm gebeichtet hat. Noch wackelt Wulff – bestehen kann er bestenfalls mit einer gerade noch ausreichenden Zensur. Neben Niedersachsen stresst auch New York: Guttenberg ist wieder da, soll als Internet-Weltberater die kleinen und gemeinen Staaten auf Vordermann bringen. Das bringt viele in Wallung, stresst aber glücklicherweise nur diejenigen, die den Lügenbaron lieber für ewig auf dem Abstellgleis gesehen hätten.

Stresstest – was für ein Wort, welch eine treffende Zustandsbeschreibung für eine aus den Fugen geratene, irre Welt. Alle sind ständig im Stress. Die Regierung ist vom Weltretten gestresst, das Volk von der Regierung. Und von den Weihnachtseinkäufen, die noch nicht erledigt sind. Wenn das so weitergeht, werden wir alle mit Pauken und Trompeten durch den Stresstest sausen. Ein kollektives Burnout wäre die Folge. Auch nicht schlecht. Denn dann gibt’s erst einmal eine Erholungskur. Die hätten wir wohl dringend nötig.

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