Hoffentlich nur viel Lärm um nichts

Dass sich die Polizei am Kornmarkt öfters sehen lässt, ist für Bautzener ein gewohntes Bild. Noch zu gut (oder besser: schlecht) sind die Krawalle zwischen jugendlichen Asylbewerbern und...

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Dass sich die Polizei am Kornmarkt öfters sehen lässt, ist für Bautzener ein gewohntes Bild. Noch zu gut (oder besser: schlecht) sind die Krawalle zwischen jugendlichen Asylbewerbern und Einheimischen vom September vorigen Jahres in Erinnerung. Wenn an einem ganz normalen Freitag – wie jüngst geschehen – gleich mehrere Einsatzfahrzeuge in den Nachmittagsstunden vor Ort sind, fällt das allerdings auf. „Wieder was passiert?“, wird sich mancher Passant gefragt haben. Doch Entwarnung: Junge Leute malten die Platte mit Kreide bunt. Es war ein ausgesprochen friedliches Bild. Und es gehörte zum mehrtägigen Theaterfestival „Willkommen anderswo“.

Am Tag darauf sollen junge Akteure des Maxim-Gorki-Theaters Berlin auf eben diesem Platz nach eigenen Aussagen übel beschimpft worden seien. Es wäre zu einem rassistischen Übergriff gekommen. Davon, dass sie sich deshalb an die Polizei gewandt haben, ist allerdings bislang nichts bekannt. Öffentlich machten sie diese Vorfälle auch erst am Tag darauf bei der Podiumsdiskussion anlässlich dieses Jugendfestivals. Ein wirkungsvoller Auftritt verlangt schließlich nach einer großen Bühne und vor allem viel Publikum. So viel Theater muss sein.

Man kann nun den „Aktionist*innen“ einfach unbesehen glauben, dass da etwas vorgefallen ist. Vielleicht wollte die Theatergruppe aber auch diesem Namen mit etwas Action alle Ehre machen. Was sie am Sonntag bei der Abschlussveranstaltung übrigens noch hinbekam. Die Berliner enterten gleich zu Beginn die Bühne und unterstellten den Veranstaltern und anderen Teilnehmern, sich nicht nachdrücklich genug gegen Fremdenfeindlichkeit positioniert zu haben. Sie überraschten auch noch mit dem Vorwurf, im Podium säßen zu viele „alte heterosexuelle weiße Männer“, was ja wohl selbst einen leicht rassistischen Anstrich hat. Dabei soll gerade Shermin Langhoff, die Intendantin jenes Gorki-Theaters, gesagt haben, es gehe „um Haltungen und nicht um Herkunft“. Ausgenommen „alte weiße Männer“?

Der Bautzener Intendant und spiritus rector dieses kleinen Festivals, das junge Flüchtlinge mit einheimischen Laiendarstellern zusammen bringt, zeigte für diese Vorwürfe kein Verständnis. „Das Festival hatte doch in Reaktion auf die fremdenfeindlichen Vorfälle in Bautzen stattgefunden“, sagte Lutz Hillmann der „Sächsischen Zeitung“. Er dürfte etwas konsterniert gewesen sein, denn Hillmann ist nun wahrlich niemand, der die Zustände in seiner Stadt schönreden würde. Warum aber wird bei dem Beitrag „Berliner Schauspieler auf dem Kornmarkt rassistisch beschimpft“ in der Überschrift etwas als Tatsache hinstellt, wenn sich – gleich im ersten Satz des Textes – der Autor „offenbar“ nicht ganz sicher ist? Es bleibt abzuwarten, ob nun überregionale Zeitungen der Versuchung widerstehen, eine solche Schlagzeile einfach zu übernehmen.

Erst wenige Tage zuvor versuchten linke Netzwerker, die Stadt Bautzen einmal mehr als Tummelplatz von Nazis hinzustellen. Demnach muss es hier am 1. Mai dramatische Szenen gegeben haben: „Überall Bullen, Reiterstaffel, Hubschrauber, aber Nazis mit Quarzhandschuhen laufen frei herum.“ Und die machen „Jagd auf Antifaschist*innen“, klar. Wenn dann noch sechs Nazis in der Nähe des Kornmarktes gesehen werden, sich aber die Polizei dennoch von der DGB-Kundgebung entfernt, ist das selbstverständlich kein Zufall. Denn die „Bullen“ (in dieser abschätzigen Bezeichnung treffen sich linke und rechte Aktivisten) stehen sowieso unter dem Generalverdacht, auf dem rechten Auge blind zu sein. Was ist das eigentlich? Hysterie, Profilneurose, Geltungsdrang? Nun, so lange sich das alles in der Social Media-Blase abspielt, richtet es keinen Schaden an. Denn tatsächlich gab es in Bautzen an jenem Mai-Feiertag keine größeren Zwischenfälle. Kurzfassung: 700 Leute protestierten gegen eine NPD-Kundgebung mit 110 Teilnehmern. 300 Einsatzkräfte sorgten für Ordnung. Der Polizeibericht in der „SZ“ am folgenden Tag beschränkte sich auf einen kurzen Absatz. Mehr war nicht.

Vielleicht wäre etwas Zurückhaltung auch diesmal angebracht gewesen. Stattdessen wurde ein ambitioniertes Jugendtheaterfestival im Nachhinein noch diskreditiert. Da sagen junge Berliner Schauspieler, dass sie sich während ihres Besuches in Bautzen auf dem Kornmarkt rassistisch belästigt und beleidigt gefühlt haben. Aber was genau ist denn da wann und wo passiert? Wer war alles dabei? Gibt es Zeugen? Warum erfolgte keine Anzeige? Diese Fragen sind offen. Es sollte jemand mit den „Aktionist*innen“ darüber sprechen. Eventuell lässt sich danach mit Shakespeare sagen: „Viel Lärm um nichts“.

Hans-Georg Prause

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