Optimisten sind nur schlecht informiert

Kennen Sie den? „Das Treffen der anonymen Pessimisten wurde abgesagt. Man war sich einig: Es hätte ja sowieso nichts gebracht.“ Wenig bis nichts gebracht haben auch die Ankündigungen...

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Kennen Sie den? „Das Treffen der anonymen Pessimisten wurde abgesagt. Man war sich einig: Es hätte ja sowieso nichts gebracht.“ Wenig bis nichts gebracht haben auch die Ankündigungen des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in Thüringen, die wegen der sogenannten Corona-Krise geltenden Restriktionen grundsätzlich zu überdenken. Denn es blieb bei diesen Gedankenspielen. Jeder Optimismus war also verfrüht. Nur Pessimisten waren nicht enttäuscht. Das liegt so in ihrer Natur. Bereits im Vorfeld wurde der Regierungschef (Die Linke) von der Politik (parteiübergreifend) und den Medien (wie gewohnt unisono) ausgebremst. Bodo Ramelow bekam bundesweit negative Schlagzeilen und teils heftige politische Seitenhiebe ab.

Die Kraftmeier kamen dabei aus Bayern. Von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war zu hören, man werde „massiv reagieren“, und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) drohte Thüringen im Streit um die Corona-Lockerungen sogar „mit Gegenmaßnahmen“. Da gingen den Herren wohl ein wenig die Nerven durch. Doch ihr Freistaat hat mit Abstand die meisten Corona-Infizierten. Da ist das nachzuvollziehen. Solche Superlative mag keiner. 

Bei Spiegel Online wurde einiges von dem Shitstorm unter der Überschrift „Ganz klar ein Fehler“ aufgelistet. Der SPD-„Experte“ und Permanent-TV-Talker Karl Lauterbach diente dafür als Stichwort-Geber. Peinlicher geht’s wohl kaum. Letztlich konnte sich Ramelow aber nicht einmal in seinem Kabinett durchsetzen. In der ungelenken Politiker-Sprache hieß das, es habe bei der Sitzung am Dienstag „eine ganze Menge an Erörterungsbedarfen“ gegeben (Zitat: MDR Thüringen).

Nächste Woche soll es dann aber konkrete Corona-Beschlüsse für diesen ostdeutschen Freistaat geben. Wenn das nicht wieder so eine vollmundige Ansage ist, die leicht im Halse stecken bleiben kann. Vor zu optimistischen Erwartungen wird gewarnt. Ramelow steckt in einer zweifachen Zwickmühle. Zum einen entsprechen seine Pläne den Forderungen, die eine alternative Oppositionspartei bereits seit einigen Wochen stellt. Zudem dürfte er daran erinnert werden, wer ihm, obwohl er ein Linker ist, mit zur Wiederwahl verholfen hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete seinerzeit die bereits mit der Mehrheit der Stimmen des Landtags erfolgte Wahl des FDP-Manns Kemmerich als „unverzeihlich“ und forderte, sie „rückgängig“ zu machen. 

Es kann sein, dass auch politisch Totgesagte länger leben. Und weil Angela Merkel alles andere als eine „Mutti“ ist, darf ihr zugetraut werden, jetzt diese Schuld von Ramelow einzufordern. Ja, das ist spekulativ. An solche Alleingänge von Landesregierungen kann sie sich aber eben nicht gewöhnen. Oder sie will es einfach nicht. Auf der Regierungspressekonferenz am Montag ließ sie deutlich machen, dass es weiterhin „verbindliche Anordnungen geben soll und nicht bloß Gebote“ (siehe „FAZ“ vom 25. Mai). Doch über die von ihr geforderten „zentralen Verhaltensregeln“ konnte man sich dann erst am Dienstag und nur mit Zugeständnissen an die Länder einigen.

Reicht das bereits für ein klein wenig Optimismus? Eher nicht. Die Bundesregierung hat mehrere Pandemie-Wochen lang nur herumgedoktert. Das geht aus vertraulichen Dokumenten hervor, die dem BR Fernsehen und der „Welt am Sonntag“ vorlagen, worüber die „Tagesschau“ am 17. Mai berichtete. Folgenschwerer war, dass man danach mit kaum noch angemessenen Maßnahmen auf die Corona-Krise reagierte. Es wurde mit dem Lockdown, den man nicht Ausgangssperre nennen wollte, eine bittere Medizin verordnet, ohne den Beipackzettel mit den Nebenwirkungen zu lesen.

Krampfhaft hält das Corona-Kabinett an Kontaktverboten und Mundschutzverordnung fest. Da wird gar nicht mehr versucht, das nachvollziehbar zu begründen. Die Spielchen mit den Zahlen des Robert-Koch-Institutes werden nicht mehr für notwendig erachtet. Das Volk folgt doch. Es ist, als könne man nicht loslassen. Ist da vielleicht die Angst, es könnte kommen wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“? Die Leute sehen plötzlich genauer hin, fassen Mut und rufen laut: „Die sind ja nackt!“

Wie selbstverständlich hatte man in Berlin bereits geplant, die Corona-Verbote bis hinein in den Juli (!) zu verlängern. Nun wurde es wohl der 29. Juni. Für weitere Wochen ist also das gesellschaftliche Miteinander dramatisch gestört. Aus der Abstandsregel wird soziale Distanz. Die Masken machen uns zu gesichtslosen Statisten. Stattdessen erleben wir eine Hoch-Zeit für Bürokraten, Kontrolleure und Denunzianten.

Die Schulen und Kindergärten werden nach Ausnahme-Szenarien geführt. Krankenhäuser, Altenheime und Pflegedienste sind noch immer Risikozonen. (Siehe „Tagesschau“ vom 21. Mai: „Das Gesundheitsministerium hat nach Informationen vonNDR, WDR und SZ mehr als 130 Millionen FFP2-Masken angehäuft. Aber sie kommen nicht dort an, wo sie dringend gebraucht werden.“)Den Facharztpraxen bleiben die Patienten weg. Fast alles, was man zu Kunst und Kultur zählt, liegt am Boden. Da droht ein bleibender Bedeutungsverlust. Die Sportler stehen im Abseits.

Den Deutschen ist selbst die Freude am Einkaufsbummel vergangen. Die Händler sitzen auf ihrer Saisonware, vielen droht der Bankrott. Das Dienstleistungsgewerbe (z.B. die Friseure) leidet unter überzogenen Anforderungen an Kundenschutz und Hygiene. Selbst Gastronomen werden mit der möglich gewordenen Wiedereröffnung nicht wirklich glücklich: Zu wenige Gäste, zu hohe Aufwendungen, zu harte Auflagen. Die vergünstigte Mehrwertsteuer kommt auch erst im Juli, betrifft nur Speisen und ist dazu zeitlich begrenzt.

Folgenschwerer als das alles dürfte jedoch sein, dass diese Corona-Krise die deutsche Wirtschaft bereits jetzt hart trifft. „Die Talsohle ist nach Einschätzung von Volkswirten aber noch nicht erreicht. Der Rückgang im zweiten Quartal, als die Corona-Maßnahmen stärker durchschlugen, dürfte heftiger ausfallen“, steht in der „FAZ“ vom 15. Mai. Bereits Ende April hieß es bei WELT Online: „Schlimmer war es nie“ – Historischer Absturz am deutschen Arbeitsmarkt. Und ja, die Regierung nimmt sehr, sehr viel Geld in die Hand, um wenigstens die schlimmsten Folgen abzumildern. Doch dafür muss man sie nicht loben. Es ist nicht ihr Geld, sondern das der Steuerzahler.

Ein erweiterter Kalenderspruch als kurzes Fazit: „Nur Optimisten (die laut Sir Winston Churchill gemein hin nur als schlecht informiert gelten, sonst wären sie es nicht) halten diese Welt für die beste aller möglichen. Pessimisten tun das auch.“Hans-Georg Prause

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