Rasieren gegen Viren, ob’s aber hilft?

Es ist nur so ein Spruch: „Volkes Mund tut Wahrheit kund.“ Doch wenn sich „das Volk“ z.B. in Kommentaren zu Zeitungsbeiträgen zu Wort meldet, kann das unterhaltsam sein....

1997
1997

Es ist nur so ein Spruch: „Volkes Mund tut Wahrheit kund.“ Doch wenn sich „das Volk“ z.B. in Kommentaren zu Zeitungsbeiträgen zu Wort meldet, kann das unterhaltsam sein. Ja, bornierte Leser und vorprogrammierte Social Bots gibt es in diesen Rubriken auch. Doch wer muss nicht schmunzeln, wenn zu einem Artikeln über die erweiterte Maskenpflicht im Personenverkehr und Einzelhandel jüngst angemerkt wurde: „Bei mir findet der Nahverkehr weder öffentlich noch mit Maske statt.“ Danke, Frank S., Leser von WELT online. Das war eindeutig zweideutig, oder?

Keine zwei Meinungen dürfte es bei dem Slogan #RASIERENgegenVIREN geben. Obwohl, der Redaktion der auflagestarken Apotheken Umschau muss das gefallen haben. Sonst wäre man damit nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Als Entschuldigung ließe sich anführen, dass der herausgebende Verlag seinen Sitz in Bayern hat. Das ist nun mal Söderland. Da wird rigoros auf den Einsatz der FFP2-Maske in Bussen und Bahnen und beim täglichen Einkauf gesetzt. Uns bleibt das (vorerst?) erspart. Wenn auch nur durch die sogenannten OP-Masken (ab 28. Januar) als dem kleineren Übel.

Was das aber mit dem Rasieren gegen Viren zu tun hat? Das erfahren Sie noch. Denn zuerst ist etwas zu den „Filtering Face Piece“ (kurz: FFP2) zu sagen bzw. schreiben. Es wurde kürzlich publik, dass diese nicht ganz so toll sein sollen, wie allgemein kolportiert wird. Es gibt Experten, also richtige, nicht selbsternannte, die gegen diese spezielle Mund- und Nasen-Bedeckung ernsthafte Bedenken haben. Genauer gesagt, gegen deren alltägliche Verwendung.

Begründete Einwände haben z.B. Krankenhaushygieniker in Franken. Aus einer Mitteilung der Universität Erlangen-Nürnberg sei das hier erwähnt: Bei falscher Anwendung bieten FFP2-Masken keinen zusätzlichen Schutzvorteil. Werden sie nicht korrekt getragen, ist der Schutz beeinträchtigt. Die FFP2-Masken erhöhen den Atemwiderstand deutlich. Um dies zu umgehen, tragen viele Menschen die Masken lockerer … Und die derzeit im Internet kursierenden Reinigungsanleitungen sind allesamt nicht wirklich überprüft. Zitat: „Die Masken verlieren ihre Schutzfunktion.“

Nur wieder so eine Einzelmeinung? Eine unmaßgebliche Quelle? Schauen wir mal in das über jedes quere Denken erhabene öffentlich-rechtliche Fernsehen. Einen aufschlussreichen Beitrag sendete der RBB am 21. Januar in seinem Magazin rbb24 (an zweiter Stelle). Bis 28. Januar ist er noch zu sehen in der ARD Mediathek.

Um was es dabei u.a. ging, war wenig später mit Verweis auf diese Sendung im Internet bei rtl.de unter der Schlagzeile „RKI rät von FFP2-Masken im Alltag ab“ zu lesen. Zitiert wurde u.a. aus der Homepage des Robert Koch-Institutes:

„In den ‚Empfehlungen der BAuA und des ad-Hoc AK ‚Covid-19′ des ABAS zum Einsatz von Schutzmasken im Zusammenhang mit SARS-CoV-2‘ werden FFP2-Masken nicht zur privaten Nutzung empfohlen.“ … „Gründe seien unter anderem, dass bei einem bestimmungsgemäßen Einsatz von FFP2-Masken eine medizinische Vorsorgeuntersuchung im Voraus angeboten werden müsse, um Risiken auszuschließen, die durch den erhöhten Atemwiderstand auftreten können.“

Bekanntlich berät das Robert Koch-Institut die Bundesregierung. Trotzdem setzt diese neuerdings vehement auf FFP2-Masken. Wusste man beim RKI eventuell gar nicht, wovor man auf der eigenen Homepage warnt? Oder stimmt tatsächlich, was der Virologe Hendrik Streeck in der FAZ kundtat: „Die Entscheidungen sind politisch, nicht wissenschaftlich“. Wofür er wahrscheinlich wieder verleumdet werden wird, wie kürzlich vom „Spiegel“. Womit dieser wiederum BILD eine trefflich Vorlage lieferte: „Spiegel diffamiert Top-Wissenschaftler“ 

Wie aber reagierte nun das Robert Koch-Institut auf diese Peinlichkeit? Nun, es wurden einfach die Angaben auf der eigenen Homepage geändert. Wer schreibt, der bleibt. Und weil alle mitspielen, unterschlagen die Medien mehrheitlich ganz einfach diese Vorgänge, während rtl.de den eigenen Online-Beitrag „überarbeitet“. Die neue Überschrift: „Keine Empfehlung für FFP2-Masken im Alltag? RKI korrigiert Angaben“.

Ein redaktionelles Unbehagen ist beim neuen Text jedoch herauszulesen. Dazu ein kurzer Auszug: „Wer mittlerweile auf die Empfehlungen des RKI zu den FFP2-Masken klickt, sieht, dass die Empfehlungen hier angepasst wurden. Davon, dass die FFP2-Maske nicht zur privaten Nutzung empfohlen wird, ist jetzt keine Rede mehr.“ Was nicht passt, wird eben stillschweigend passend gemacht. Nur dass es diesmal nicht unbemerkt blieb.

Ein weiterer Passus im RKI-Text lässt sogar aufhorchen: „Bisher wurden keine wissenschaftlichen Untersuchungen über den möglichen Effekt einer solchen Maßnahme gemacht. Bei der Anwendung durch Laien ist ein Eigenschutz über den Effekt eines korrekt getragenen Mund-Nasen-Schutzes hinaus daher nicht zwangsläufig gegeben.“ Könnte heißen, dass eine FFP2-Maske unter dem Strich nicht mehr bringt als die herkömmlichen Alltagsmasken.

Jeder kann sich da seine eigene Meinung bilden. Lesen Sie bitte diesen oben verlinkten Text von rtl.de. Oder gehen Sie mit dem erworbenen „Hintergrundwissen“ selbst auf die RKI-Homepage. Da steht u.a., es seien „bei Personen mit z. B. eingeschränkter Lungenfunktion oder älteren Personen […] gesundheitliche Auswirkungen nicht auszuschließen“. Das ist bedenklich.

Dagegen mutet das eingangs erwähnte #RASIERENgegenVIREN wie ein müder Witz an. Doch es dürfte leider ernst gemeint sein. Damit die FFP2-Masken richtig sitzen, sollen sich die Bartträger in Bayern von ihren Bärten trennen! Nicht nur das leidige Rasieren ist gemeint. Nein, die über Jahre hin gehegten und gepflegten Backen-, Kinn- und Vollbärte, manchmal des Mannes einzige Zier, sollen ab!

Der Aufruf der Apotheken Umschau fand bereits Nachahmer, so etwa den SPD-Oberbürgermeister von Erlangen. Da konnte dort der örtliche CSU-Chef auch nicht anders. Und schon war die „Bart ab“-Aktion geboren.

Na ja, Männer ohne Bart sind trotzdem noch attraktiver als Frauen mit Bart. (Oder ist das sexistisch?) Was tut man(n) nicht alles dafür, dass das Suspensorium gut sitzt. Und sei es im Gesicht …

Hans-Georg Prause

Foto: pixabay.com

Schlagworte
WP Twitter Auto Publish Powered By : XYZScripts.com