Vor der Kür kommen die Pflichten

Da wollte der Bautzener Oberbürgermeister päpstlicher sein als der Papst. Mit einer angeblich gebotenen Osterruhe begründete Alexander Ahrens sein Veto gegen jene Lichtinstallation, mit der in den Abendstunden...

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Da wollte der Bautzener Oberbürgermeister päpstlicher sein als der Papst. Mit einer angeblich gebotenen Osterruhe begründete Alexander Ahrens sein Veto gegen jene Lichtinstallation, mit der in den Abendstunden des Ostersonnabends eine mögliche neue Fußgängerbrücke über die Spree veranschaulicht werden sollte. Wenn das wirklich der alleinige Grund für seinen sehr kurzfristig erfolgten Einspruch gegen diese Veranstaltung war, so hat er es vielleicht gut gemeint, doch das ist bekanntlich etwas anderes als gut gemacht. Die Christen begehen zwar diesen Tag zwischen Karfreitag und Ostersonntag durchaus eher als einen Tag der Stille, weshalb sie vom Karsamstag sprechen, doch mit besonderen Auflagen versehen ist laut dem Sächsische Sonn- und Feiertagsgesetz zu Ostern lediglich der Karfreitag, also der Sterbetag Jesu.

Zurück geht das auf den Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung von 1919, der übrigens wortgleich ins Grundgesetz sowie in die sächsische Landesverfassung übernommen wurde. Wen wundert es da, dass nicht erst seit heute Einschränkungen wie das Verbot von öffentlichen Tanzveranstaltungen an diesem Tag als nicht mehr zeitgemäß in Frage gestellt werden. Letztlich wird jedoch mehrheitlich akzeptiert, dass die christlichen Traditionen zu den kulturellen Überlieferungen gehören und sehr viel mit unserer Identität und mit unseren gesellschaftlichen Werten zu tun haben. Allerdings gehört nur noch jeder vierte Sachse einer christlichen Religionsgemeinschaft an. Man sollte den Bogen also nicht mit vorauseilendem Gehorsam überspannen.

Dass die Kirche selbst das gar nicht so eng sieht, dass es also kein „regelrechter Affront“ (Oberhirte Ahrens) ist, war dieser Tage der lokalen „SZ“ zu entnehmen. Dort wurde mit Christian Tiede der Pfarramtsleiter der evangelischen St. Petri-Gemeinde mit den Worten zitiert, er wäre „der Letzte, der sagt, das darf nicht stattfinden“. Die evangelischen Christen gestalten an jenem Sonnabend bereits ab 18 Uhr das Osterblasen der vereinigten Blechbläser auf dem Protschenberg. Die katholische Feier der Osternacht im St. Petri Dom beginnt erst um 21 Uhr. Dort gibt es auch die Segnung der Osterreiter, deren Aussendung am Sonntag gegen 10.45 Uhr an der Liebfrauenkirche erfolgt.

So gesehen sprach also kaum etwas gegen jene von den Stadträten Karl-Heinz Lehmann und Mike Hauschild vorbereitete Laser-Installation, die den Bautzener Bürgern veranschaulichen sollte, wie sich eine neue Spreebücke zwischen Protschenberg und Ortenburg vor dem historischen Panorama der 1000jährigen Stadt ausnehmen würde. Eine solche zu bauen, das wird seit einigen Monaten immer mal wieder diskutiert. Nur reden bislang alle darüber, pardon, wie ein Blinder von der Farbe. Die Meinungen gehen vielleicht gerade deshalb weit auseinander. Deren Spannbreite reicht von so optimistischen Schlagzeilen wie „Brücke in die Zukunft“ im „Wochenkurier“ bis zum mehrdeutigen Titel „Brücke überm Abgrund!“ der „Blauen Post“, einer Publikation der AfD Bautzen.

Dabei liegt bislang nicht mehr und nicht weniger vor als eine Studie von Studenten der TU Dresden. Die Stadträte sollen dem Vernehmen nach von dieser erst einmal sehr angetan gewesen sein; inzwischen setzt nun das Nachdenken ein: über Sinn und Unsinn, die Kosten, die Prioritäten. Die Stadtverwaltung signalisierte zum einen ihre Zustimmung, dämpfte andererseits die Erwartungen. Sehr enthusiastisch äußert sich der Oberbürgermeister. Umso unverständlicher, dass gerade Alexander Ahrens es war, der die erste große Aktion zur Popularisierung dieses Projektes fast in letzter Minute stoppte. Als er kurz darauf seine Meinung genauso schnell wieder änderte, also nun plötzlich dafür statt dagegen war, war es bereits zu spät. Inzwischen hatten die Initiatoren ihrerseits schon alles abgeblasen. Das Kind war in den Brunnen gefallen oder, um vor Ort zu bleiben, in die Spree. Dabei hätte diese optisch bestimmt eindrucksvolle Laser-Darstellung einer Fußgängerbrücke über die Spree der Meinungsbildung über dieses Vorhaben gut getan. Und das wäre auch eine Attraktion für auswärtige Osterbesucher gewesen. Von der kostenlosen überregionalen Imagewerbung für Bautzen durch ein freundliches Medienecho ganz zu schweigen.

Zu Pro und Kontra einer Fußgängerbrücke vom großen Parkplatz in Sichtweite der Autobahnabfahrt Bautzen-West am Protschenberg über das tiefe Spreetal hinüber zur Ortenburg ist schon einiges veröffentlicht worden. Manch einer hat sich bereits für den Bau dieses neuen Überganges in luftiger Höhe positioniert, obwohl noch gar keine Machbarkeitsstudie vorliegt. Andere halten eine solche von vornherein für abwegig, weil bereits der Gedanke an so ein steinernes Bauwerk vor der weithin bekannten Altstadtkulisse für sie ein Sakrileg darstellt. Hier sei auf zwei gute Beiträge hingewiesen, die das widerspiegeln: Die „SZ“ Bautzen sprach Anfang des Jahres mit Jan Kubasch, dem Chef des Innenstadtvereins. Er forderte dabei: „Wir dürfen die Spreebrücke nicht kaputt reden“. Auf diesen Artikel antwortete Robert Lorenz mit einem Beitrag auf seiner Webseite „Spreebrücke“. In diesen beiden hier verlinkten Wortmeldungen kommt vieles zur Sprache, was die Bautzener bewegt bzw. bewegen sollte.

Aha, also hat der Autor dieser Kolumne wohl keine eigene Meinung zum Für und Wider einer Fußgängerbrücke am Schliebenparkplatz? Doch, die hat er. Nur würde es zu weit führen, darauf im Detail einzugehen. Stattdessen sei folgende Frage in den Raum oder zur Diskussion gestellt – und das sagt doch eigentlich alles: Haben wir in Bautzen keine anderen Probleme?!

Was wird denn nun mit der neuen Grundschule? Wo kommt sie hin? Wie geht es weiter mit der „Krone“? Und vor allem: Warum tut sich nichts am Lauengraben? Um diese Baubrache mitten in der Stadt ist es ruhig geworden, viel zu ruhig. Vereinzelte Überlegungen beziehen sich auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Dabei heißt es immer, Eigentum verpflichtet. Was haben denn eigentlich die Besitzer der Grundstücke und Immobilien in diesem Geviert für Pläne? Abwarten, bis es staatliche Fördermittel gibt? Die Stadtverwaltung ist wenigstens in der Pflicht, etwas für die baldige Neugestaltung dieses markanten Areals zu tun. Eine gute Kür verlangt von ihr ja gar keiner. Über ein Prestigeobjekt wie die Fußgängerbrücke über Spree und Seidau zu spekulieren, kann angesichts dieser viel dringenderen Aufgaben höchstens eine Zugabe sein. Eigentlich lenkt es, gewollt oder nicht, vom Wesentlichen ab. Wenn man sich etwas leisten will, muss man vorher etwas leisten. Und das dort, wo es höchste Zeit ist und wirklich Not tut.

Hans-Georg Prause

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