Jens Bitzka: Landwirtschaft muss umweltverträglicher werden

Der BautzenerBote im Interview mit dem Kreisvorsitzenden der Grünen Jens Bitzka in Bautzen. Foto: Isabelle Jäschke Alle reden derzeit über die Flüchtlinge. Dabei ist aber auch der Klimawandel eine Ursache der...

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Der BautzenerBote im Interview mit dem Kreisvorsitzenden der Grünen Jens Bitzka in Bautzen. Foto: Isabelle Jäschke

Alle reden derzeit über die Flüchtlinge. Dabei ist aber auch der Klimawandel eine Ursache der derzeitigen Ereignisse. Führt das bei den Grünen zu neuen Erkenntnissen oder bestärkt es die bisherige Meinung?

Ja, der vom Menschen verursachte Klimawandel ist ein Grund für viele Flüchtlinge ihre Heimatregion zu verlassen um nach Europa zu kommen. Die
Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre der Welt steigt weiter, auch durch unsere Wirtschaftsweise in Deutschland z.B. durch die Verbrennung der Braunkohle und durch die auf Autoverkehr ausgerichtete Politik. Folgen des Klimawandels sind der Anstieg des Meeresspiegels, Stürme, Hitzewellen und Wassermangel, der zu Missernten führt. Dieses hat auch zur Folge dass kriegerische Konflikte Millionen Menschen zur Flucht zwingen. Wir Grünen sehen seit unserer Gründung vor über 30 Jahren die Umweltpolitik nicht nur lokal sondern weltweit im Focus. Wenn die Umweltzerstörung auf der Erde gestoppt wird, können Konflikte reduziert werden und mehr Menschen in ihrer Heimat bleiben.  Jeder kann bei uns in der Oberlausitz nach dem Motto „Global denken – lokal handeln“ etwas betragen den Klimawandel zu stoppen und dabei gleichzeitig Fluchtursachen reduzieren. Auch die Mitgliedschaft in einem Umweltverband, bei uns in der Oberlausitz gibt es beispielsweise den BUND, den NABU und die Naturfreunde, ist ein konkreter Beitrag für eine lebenswerte und gesunde Welt.

Die Reichenstraße in Bautzen ist eine beliebte Einkaufsmeile. Foto: BautzenerBote
Die Reichenstraße in Bautzen ist eine beliebte Einkaufsmeile. Foto: BautzenerBote

Die wirtschaftliche Situation für Bautzen ist nicht schlecht. Allerdings hat man das Gefühl, dass die positive Entwicklung stagniert. Wie sehen Sie das?

Insgesamt kann man das nicht so sehen. Es stagniert vielleicht bei einzelnen Projekten wie dem Bahnhof und dem Lauengrabenareal. Andere Dinge sind aus grüner Sicht zumindest vorangekommen: Das Radverkehrskonzept wird z. B. konsequent umgesetzt, nicht zuletzt durch die Öffnung der Einbahnstraßen. Bei der Verkehrsplanung der Schilleranlagen im Bereich des neuen Berufsbildungszentrums wird die Priorität auf den nichtmotorisierten Verkehr gelegt, gegen erbitterten Widerstand der Autofahrerlobby. Der Kreisverkehr auf der Schliebenstraße wird fertiggestellt. Das Gewerbesteueraufkommen geht wieder leicht nach oben und es herrscht große Nachfrage nach Wohnraum in der Stadt. Die Geburtenrate von 1,84 liegt über dem Bundesdurchschnitt. Zusammenfassend kann ich nur sagen: Man muss in wirtschaftlicher Hinsicht nicht unbedingt eine Krise herbeireden.

Die demografische Entwicklung spricht aktuell gegen die Bevölkerungszahlen in der Oberlausitz. Wäre das nicht der ideale Zeitpunkt komplett auf eine umweltfreundliche Wirtschafts- und Agrarpolitik zu setzen, um Wachstum zu generieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen?

Für mich muss der Weg zur umweltfreundliche Wirtschafts- und Agrarpolitik überall auf der Welt angegangen werden, denn wie lautet der beliebte Spruch der umweltbewegten Menschen: „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“.

Kuhweide bei Oßling im Landkreis Bautzen. Foto: BautzenerBote
Kuhweide bei Oßling im Landkreis Bautzen. Foto: BautzenerBote

Also nicht nur dort wo in Zukunft weniger Menschen wohnen muss mehr nachhaltig, also umweltfreundlicher gewirtschaftet werden, sondern auch in Regionen der Erde wo es immer mehr Menschen geben wird. Für die Oberlausitz wäre es schon ein großer Schritt wenn die lokalen Wirtschaftskreisläufe noch viel besser werden. Also Produkte und Lebensmittel von hier für hier. Zum Thema Landwirtschaft, die auch bei uns in der Region umweltverträglicher werden muss – das wird ihnen jeder Imker bestätigen. Ökolandwirtschaft und auch die konventionelle Landwirtschaft, wenn sie nachhaltig arbeitet, kann unsere Heimat Oberlausitz bewahren und Arbeitsplätze erhalten und schaffen. Für mich ist wichtig, dass Tiere die von den Landwirten gehalten werden mit einheimischen Futter versorgt werden, denn dieses ist ein natürlicher Kreislauf.
Bei einer Veranstaltung hat ein hochrangiger Vertreter des Oberlausitzer Kreisbauernverbandes sinngemäß gesagt: wir können unsere Kühe nicht mit einheimischen Futter füttern, da sie sonst zu wenig Milch produzieren. So eine Aussage spricht nicht für lokale Wirtschaftskreisläufe und ein Landwirt sollte diese schon im Blick haben.

Vattenfall zieht sich aus dem Tagebaugeschäft in der Lausitz zurück. Tausende Arbeitsplätze sind in Gefahr. Der Bau von Windparks, Wasserwerke und
Biogasanlagen ist aber nicht immer gewünscht. Was tun?

Vattenfall will umweltfreundlicher werden, sieht in der Braunkohleverstromung keine Zukunft und will deshalb die Braunkohlesparte verkaufen. Ich hätte es viel besser gefunden wenn Vattenfall nach und nach aus der Braunkohle in der Lausitz aussteigt, sich hier im Bereich der Erneuerbarer Energien engagiert, die Bergbaufolgen saniert und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern z.B. im Bereich der Erneuerbaren Energien neue Arbeitsmöglichkeiten schafft. Vattenfall geht aber den scheinbar einfacheren Weg.
Der Grüne Landesparteitag hat im letzten Jahr einstimmig einen Beschluss mit dem Titel: „Perspektiven für die Lausitz nach der Kohle – GRÜNE Impulse für den Strukturwandel einer Region“ gefasst. Dort machen wir Vorschläge wir der Strukturwandel in der Lausitz weiter gestaltet werden sollte. Es geht nicht mehr um das „Ob“ des Kohleausstiegs, sondern das „Wie“. Anlagen für Erneuerbare Energien sind sehr wichtig für die Energiewende und müssen natürlich auch den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden – am besten ist es wenn sich die Leute vor Ort an solchen Anlagen finanziell beteiligen können, Stichwort Bürgerkraftwerke. Was aber oft vergessen wird, die Energieeinsparung ist ein wirksamer Beitrag zum Klimaschutz.

Was halten Sie von der Idee des Landrats in Neschwitz ein Infozentrum zur Mülltrennung zu errichten? Ist das nicht kontraproduktiv zur nicht ausgelasteten
Müllverbrennungsanlage in Lauta?

Die Einrichtung eines Natur- und Umweltbildungszentrums in Neschwitz wurde im Dezember vom Kreistag Bautzen mehrheitlich beschlossen, um die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis zu mehr Abfalltrennung zu erziehen, da es ein beachtlicher Anteil von Fehlwürfen (über 40%) in der gelben Tonne, in der schwarzen Restmülltonne (Verpackungen, Bioabfälle) und der Biotonne (Restmüll, Verpackungen) gibt.
Ob durch so eine Einrichtung die Leute erreicht werden, die ihren Müll nicht trennen, habe ich meine Zweifel. Deshalb sollte das Hauptaugenmerk des Natur- und Umweltbildungszentrums darauf gerichtet sein Kinder- und Jugendliche in diesem Bereich zu bilden. Aber nicht nur im Bereich der Abfalltrennung, sondern auch im Bereich der Abfallvermeidung, denn der beste Abfall ist der der nicht erst
entsteht.
Auch wenn die Gebührenzahler in den Landkreisen Bautzen und Görlitz in den letzten Jahren wegen der nicht ausgelasteten Müllverbrennungsanlage zusätzlich belastet wurden ist eine Abfallreduzierung aus Umwelt- und Klimaschutzgründen sehr wichtig. Eine nicht ausgelastete Müllverbrennungsanlage sollte nirgends ein Grund sein, keine Bildungsarbeit im Bereich der Abfalltrennung und Abfallreduzierung anzubieten.

Die Verbrennungsanlage im Landkreis Bautzen in Lauta. Foto: BautzenerBote
Die Verbrennungsanlage im Landkreis Bautzen in Lauta. Foto: BautzenerBote

Das Lausitzer Seenland glaubt an eine große touristische Zukunft. Möge es so werden. Warum gibt es ihrer Meinung nach keine positive Entwicklung am Stausee Bautzen?

Unser Grüner Stadtrat Claus Gruhl hat mir vor einiger Zeit über die Entwicklungen am Bautzener Stausee berichtet, die durchaus positiv sind. Das Konzept der kleinteiligen Entwicklung am Stausee ist richtig und es greift langsam immer besser. Durch gezielte Verbesserungen, wie z.B. die Wasser- und Abwasserleitung, hat sich der Stausee zu einem beliebten Naherholungszentrum für die Bautzener entwickelt. In diesem Jahr kommt der lange erwartete Bootssteg dazu und der Bebauungsplan für die Erweiterung des Campingplatzes ist durch den Stadtrat Bautzen beschlossen.
Den Bautzener Stausee kann man nicht mit dem entstehenden Großprojekt Lausitzer Seenland vergleichen. Dort wird eine durch Braunkohlebergbau geschädigte Landschaft nach und nach saniert, mit Millionen Euros pro Jahr.

Vielen Dank für das Gespräch.

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