3G, 2G, 2G+, 1G – ja geht’s noch?

Hatte er es nicht verstanden? Oder wollte er es nicht verstehen? Aber auch auf seine Nachfrage hin bekam Sachsens Ministerpräsident keine andere Antwort von Prof. Dr. Josten, Medizinischer...

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Hatte er es nicht verstanden? Oder wollte er es nicht verstehen? Aber auch auf seine Nachfrage hin bekam Sachsens Ministerpräsident keine andere Antwort von Prof. Dr. Josten, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Leipzig. Dieser hatte in einem Video-Chat erklärt, dass dort im Uniklinikum auf der Intensivstation unter 18 Corona-Patienten auch acht Geimpfte wären. Auf der Normalstation sei der Anteil der Geimpften sogar höher als jener der ungeimpft Erkrankten (ab 1:49:50).

Prof. Dr. Josten wollte keinesfalls diese Momentaufnahme von Anfang November verallgemeinern. Aber sein Statement war klar und deutlich: „Auch die Geimpften stellen … eine nicht unerhebliche Gefahr dar. Insofern muss man über 2G und 3G noch mal nachdenken.“ Eine Empfehlung, die MP Kretschmer an seinem Bildschirm in der häuslichen Quarantäne nicht nur aus der Leipziger Uniklinik zu hören bekam.

Nur, warum hört er nicht auf solche Fachleute? (Der einst so honorige Begriff „Experte“ ist ja im öffentlich-rechtlichen Missbrauch vergiftet worden.) Sich mit Medizinern, Wissenschaftlern und anderen Persönlichkeiten fast drei Stunden lang über einen offenen YouTube-Kanal zu Corona auszutauschen, ist aller Ehren wert. Doch es bringt nichts, wenn damit nur bereits getroffene Entscheidungen – wie konkret Sachsen als 2G-Vorreiter zu etablieren – bestätigt werden sollen.

Aus Fehlern kann (und sollte) man lernen. Mit wem hatte sich Michael Kretschmer (CDU) aber vorher abgestimmt, als er lauthals bundesweit 3G an allen Arbeitsplätzen forderte? Das war nicht einmal originell, denn er sprach nur nach, was der CSU-Parteichef Söder bereits gesagt hatte. Beide liegen damit übrigens auf dem „Ampel-Kurs“ von SPD, Grünen und FDP. Ist das bereits ein Fingerzeig auf die künftige „harte“ Haltung der Christdemokraten in der parlamentarischen Opposition?

Wollen wir hoffen, dass es hierbei „um die Sache“ geht. Denn die von Anfang an politisierte Pandemie droht zu einer gesellschaftlichen Katastrophe zu werden. Das ist keine Krise, das Land ist krank. Und es krankt nicht nur an Corona. Jede Welle hat ein Auf und Ab. Zuerst muss von der Politik und in der Presse jedoch verbal abgerüstet und wieder Vertrauen aufgebaut werden. Wobei der Grundstein für letzteres über Jahre hin brüchig geworden ist.

In der Oberlausitz gingen am Montag erneut viele Menschen auf die Straße, um gegen die derzeitigen Corona-Maßnahmen zu protestieren. Allein rund 500 sollen es in Bautzen gewesen sein. Ebenfalls „mit den Füßen abgestimmt“ hatten dort am Samstag einige tausend Besucher bei der „Romantica“. Über mehrere Stunden belebten sie abends die Innenstadt. Bummeln und einkaufen, Bratwurst, Glühwein … Corona? Nein, keine Angst. Einige flanierte mit Maske. Warum auch nicht. Andere blieben zuhause. Jeder entschied also selbst, was gut für ihn ist.

Mit dieser Freiheit kann Prof. Frank Ulrich Montgomery, Ehrenpräsident der Bundesärztekammer, wenig anfangen. Er sprach in einer TV-Talkrunde („Anne Will“, 8. November) von einer Tyrannei der Ungeimpften. Irgendwie wollte er wohl den ihm zu lauen Begriff von der „Pandemie der Ungeimpften“ toppen.

Bereits zum schlechten Ton seitens der Politik gehört es leider, pauschal die Argumente von Kritikern des Corona-Impfens als „absoluten Ultraquatsch“ abzutun – Originalton Markus Söder (ebenfalls bei „Anne Will“). Und was soll man von einem Gesundheitsminister wie Jens Spahn halten, der seinen Ministeriumssprecher sagen lässt, das Ende der kostenfreien Corona-Tests ab Anfang Oktober sei „damals richtig“ gewesen, deren mögliche Wiedereinführung jetzt aber „genauso richtig“.

Der Co-Chef der Grünen, also Robert Habeck, lässt zu den einfachen Tests für die Bürger die Katze aus dem Sack: „Es war damals schon ein Fehler, sie auszusetzen. Es war eine Maßnahme um die Nicht-Geimpften negativ zu motivieren.“

Sind infizierte Geimpfte eine unterschätzte Gefahr?“. Dieser Frage geht ein informativer und unpolemischer Online-Beitrag des MDR nach. Es mag viele Betroffene enttäuschen, doch die Impfungen haben sich nicht als Allheilmittel erwiesen. Sie schränken die möglichen Folgen einer Virusinfektion nur ein. Was immerhin überlebenswichtig z.B. für Ältere oder Vorerkrankte sein kann.

Obwohl gerade deren Schutz als Frühgeimpfte jetzt nachlässt. Daran, das mitBoosterrechtzeitig zu (er)klären, wurde nicht gedacht. Todesfälle in Alten- und Pflegeheimen werden also lediglich als regionale Vorkommnisse behandelt.

Auch möchte man ungern akzeptieren, dass selbst doppelt Geimpfte wegen Erkrankung hospitalisiert werden müssen. Dass sie sich sogar auf Intensivstationen wiederfinden können. Doch die Zahl der Impfdurchbrüche (gemeint sind Fälle von Impfversagen) nimmt zu. Das Risiko einer Infektion ist nach sieben Monaten doppelt so hoch wie nach fünf Monaten. Es steigt (laut MDR Wissen) sogar bereits drei Monate nach der Impfung. Deshalb braucht es die dritte Dosis. Wer bereits geimpft ist, hat ungewollt ein Impf-Abonnement abgeschlossen. Aber die Bratwurst bekam man geschenkt.

Dass die Geimpften „zur Weiterverbreitung des Virus nur noch wenig beitragen“ (18. Oktober) behauptet selbst das Robert Koch Institut (RKI) nicht mehr. EineWelle der Geimpften“ sagte bereits im Oktober der Virologe Prof. Alexander Kekulé voraus.

Kürzlich übertrafen die Corona-Neuinfektionen bereits den bisherigen Höchststand vom Dezember 2020. Wie unspektakulär dieser Fakt bei genauerem Hinsehen ist, zeigt die Tatsache, dass die Zahl der deshalb in Kliniken aufgenommenen Patienten mit 3,91 pro 100 000 Einwohnern noch weit unter dem Dezember-Höchstwert des Vorjahres von 15,5 liegt (Quelle: RKI).

Weil alles andere bislang nicht geholfen hat, könnte auf 3G, 2G und 2G+ bei Fortdauer der Pandemie das 1G – aber mit G wie Getestet! – folgen. „Wir müssen das Testen wieder ausweiten“, fordert auch der Virologe Hendrik Streeck. Wofür es kostenloser Angebote bedarf. Es auf nur wirklich kritische Bereiche zu begrenzen, würde der Politik allerdings einiges an Augenmaß abverlangen. Kann sie aber überhaupt der Versuchung widerstehen, mit Auflagen für Ungeimpfte weiterhin große Teile der Gesellschaft auszugrenzen?

Wenn nicht, bliebe es vor allem unter den eher skeptischen Ostdeutschen bei jeneremotionalen Widerstandssituation in Teilen der Bevölkerung, von der Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im Deutschlandfunk sprach. Oder warnte der als amtierender Bundesratspräsident ahnungsvoll davor?

Hans-Georg Prause

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