Ausnahmen sind zur Regel geworden

Mögen hätte ich schon wollen aber dürfen hab ich mich nicht getraut. Dieser Satz stammt von Karl Valentin, und etwas Ähnliches hat vor kurzem auch Angela Merkel gesagt....

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Mögen hätte ich schon wollen aber dürfen hab ich mich nicht getraut. Dieser Satz stammt von Karl Valentin, und etwas Ähnliches hat vor kurzem auch Angela Merkel gesagt. „Persönlich bin ich auch dafür, dass wir uns in der Euro-Zone eine solche Steuer vorstellen könnten“ spintisierte die Bundeskanzlerin. Es geht um die „Finanztransaktionssteuer“, eine Steuer, die auf Börsengeschäfte erhoben werden soll. Noch vor nicht allzu langer Zeit gab es außer den politisch links orientierten kaum jemanden, der diese Steuer wirklich wollte. Das hat sich glücklicherweise geändert. Denn wir alle sind, ob wir es nun wollen oder nicht, Opfer der Börsenspekulanten – den wahren Verursachern von Euro- und Währungskrisen. Mit immer undurchsichtigeren Finanzgeschäften tragen die Broker, Fondsmanager und Anlagestrategen weltweit zu Not und Elend bei.

In Sekunden werden Milliardenbeträge um den ganzen Globus herum verschoben, um in den nächsten Sekunden wieder in einer anderen Anlage geparkt zu werden. Ein riesiges Scheingeschäft – echte, „reale“ Werte interessieren schon längst nicht mehr in den weltweiten Zockerbüros. Es geht bei den Finanztransaktionen ausschließlich nur noch darum, wie man durch geschicktes Spekulieren und immer schnelleres Geldumschichten aus viel Geld noch mehr Geld machen kann. Auf der Strecke bleiben all diejenigen, die mit ihrer Hände Arbeit, mit der Produktion von Gütern oder mit Dienstleistungen ehrliches Geld verdienen. Denn durch Spekulationen wird der Preis von Waren und Dienstleistungen, unabhängig von ihrem realen Wert, oft in astronomische Höhen getrieben. Leidtragende dieses computergesteuerten Perpetuum mobiles, in dem Finanztransaktionen im hundertstel Sekundenbereich von Rechnern ausgelöst werden, sind die Menschen auf der Welt, die sich dann noch nicht einmal mehr das tägliche Stück Brot leisten können, weil zum Beispiel der Weizenpreis explodiert ist. Bereits John Maynard Keynes, für viele Menschen der bedeutendste Wirtschaftswissenschaftler überhaupt, erklärte in den 1930er Jahren, dass eine Besteuerung von reinen Finanzgeschäften die Spekulationen eindämmen würde und so der Realwirtschaft und den Menschen zugute käme.

Allerdings: Eine solche Steuer macht in unserer vollkommen vernetzten Welt überhaupt nur dann Sinn, wenn sie überall eingeführt wird. Wird eine Transaktionssteuer in Deutschland erhoben, in London jedoch nicht, dann sind die Folgen ganz klar: Der Finanzzirkus wandert weiter, Deutschland und die anderen EU-Länder, in denen die Steuer erhoben wird, werden an Bedeutung verlieren. Laut Angela Merkel soll aus der Europäischen Union eine Fiskalunion werden, ein Staatenbund also, in dem gleiche Steuern in jedem Land erhoben werden.

Den Weg dorthin will man jetzt mit der ersten Ausnahme beginnen? Das wäre eine Verhöhnung des europäischen Gedankens. Einzige Partei in Deutschland, die bei der Finanztransaktionssteuer noch klar und richtig argumentiert, ist übrigens die FDP. Weil die Freidemokraten in einer einzigartigen Selbstzerstörungsaktion beinahe komplett vernichtet haben, hört ihnen, zumindest derzeit, keiner mehr zu. Eine Sonderregelung für die Briten, die sich ohnehin von Europa nur die Rosinen herauspicken, verbietet sich aber kategorisch. Wenn England nicht mitmacht, muss es seine Mitgliedschaft in Europa eben aufgeben. Für die vermeintliche Rettung von Euro, Europa und den angeschlagenen Mitgliedsstaaten wird der Rest der europäischen Nationen aber wohl auch diese Kröte schlucken.

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