Bogelmuschs Rotkäppchen

Ein städtisches Märchen vom Bogelmusch Neulich konnte ich das Rotkäppchen beobachten. Das muss ich Euch erzählen. Es war einmal ein kalter Frühlingstag, Schnee und Sonne, von jedem etwas....

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Rotkäppchen von tigeltuf auf flickr.com

Ein städtisches Märchen vom Bogelmusch

Neulich konnte ich das Rotkäppchen beobachten. Das muss ich Euch erzählen.
Es war einmal ein kalter Frühlingstag, Schnee und Sonne, von jedem etwas. Töpfermarkt sollte sein, weit draußen, abseits der Stadt und der centerbebauten Ballungsgebieten wo Shoppingmeile an Shoppingmeile abgeschlendert werden konnte und weit und breit kein Geld mehr zu finden war. Die Sonne ließ die schneebedeckten Tannen glänzen und glitzern.

Doch Rotkäppchen hatte dafür keine Augen. Kein Wunder, dass das schöne Freizeitparadies mitten im Wald kaum noch jemanden interessiert bei diesen Benzinpreisen, dachte sie. Die langen Straßen, die vielen Bäume machten sie krank. Sie brauchte das Großstadtgewirr und war erleichtert, als sie die vielen Autos auf dem Parkplatz sah. Hier musste es sein.
Eigentlich wollte Rotkäppchen Action. Irgendwas muss doch gehen. Sie schlenderte an den Ständen entlang, mit den Augen suchend. Ihre Großmutter würde sich ganz bestimmt über den blauen Milchtopf freuen. Gefreut haben… Vor 20 Jahren vielleicht. Seit Großmutter mit Ali den Dönerstand an der Ecke zum Innenstadtcenter betrieb, war sie nicht mehr die Alte. Aus der liebevollen, sich sorgenden Frau war regelrecht eine tolle Alte geworden.
Schuld daran war die Sache mit dem Wolf. Wenn der Idiot nicht versucht hätte, die Großmutter zu fressen, wäre nichts passiert. So im Bauch des Wolfes zu stecken und seine Karriere als beendet zu betrachten, ist keine schöne Sache. Nur gut, dass Ali dazu kam und den Fresssack mit dem Dönermesser in die Flucht schlagen konnte. Großmutter blieb verschont und beschloss, zu Ali in die WG zu ziehen. Dort kamen sie sich näher und beschlossen, gemeinsam den Dönerstand zu eröffnen. Das war viel besser, als vom Wolf gefressen zu werden!
Rotkäppchen ließ den Blick über den nahe gelegenen, vereisten Teich schweifen. Da! Ganz am Ende des Marktes, da saß doch einer. Sie stakste in ihren High Heels durch den Schnee. Tatsächlich. Der zwangsangesiedelte Wolf! Er sah sehr alt aus und hatte wohl auch keinen Bock mehr, Großmütter zu fressen. „Ach, das Fräulein Rotkäppchen…“, sprach er mit zuckersüßer Stimme. „Wie geht es dir und der Frau Großmama?“

Rotkäppchen machte einen Satz auf ihn zu, trat ihm vors Schienbein und schrie: „Alta, was gehnt´n mit dir ab, Alta ? Hasse was genomm oder was?“ Der Wolf krümmte sich vor Schmerzen im Schnee. „Aber nein, Fräulein Rotkäppchen! Ich weiß schon, die Sache mit der Frau Großmutter… Sie sind immer noch böse.„Ja“, schrie Rotkäppchen, „wegen dir Dummkopf hat die Olle keine Zeit mehr für mich. Verdammter blöder…“ Bumms, Treffer!

„Neuerdings muss ich zur Nachhilfe Ü20 und Benimmkurse soll ich absolvieren, um einen 400-Euro-Job im Innenstadtcenter zu bekommen, du Vollpfosten! Das wäre alles nicht soweit gekommen, wenn du verfressenes Vieh dir ne Pferdesemmel in der rot-gelben Kantine geholt hättest und nicht an meiner Oma rumgekaut hättest – du Kunde!“

Bei Rotkäppchen brannten alle Sicherungen durch. Sie trat dem grauen Wolf noch mal richtig auf den Schwanz, zog ihm seine letzten Kippen aus der Schafspelzweste und lief wutentbrannt durch den Schnee zu ihrem roten Auto. Bleibt nur zu hoffen, dass keinem bedauernswerten zwangsangesiedelten Wolf dieses fürchterliche Rotkäppchen je begegnet! Schützt den Wolf vor Rotkäppchen!
Liebe Grüße vom Bogelmusch

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