Eine Stadträtin will „Stachel im Fleisch“ sein

Für Roland Fleischer, den Vorsitzenden der aus zwei Personen bestehenden SPD-Fraktion im Bautzener Stadtrat, war es nicht weniger als ein „skandalöser Vorgang“. Sein Genosse Alexander Ahrens, der Oberbürgermeister...

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Für Roland Fleischer, den Vorsitzenden der aus zwei Personen bestehenden SPD-Fraktion im Bautzener Stadtrat, war es nicht weniger als ein „skandalöser Vorgang“. Sein Genosse Alexander Ahrens, der Oberbürgermeister der Stadt, versteht dagegen die ganze Aufregung nicht. Zur Erinnerung: Bei der Januar-Sitzung hatten 16 Stadträte die Zusammenkunft vorzeitig verlassen, um an der Verleihung des „Bautzner Friedenspreises“ teilzunehmen.

Damals waren deshalb wichtige Punkte der Tagesordnung vorgezogen und andere Themen auf den Februar-Termin vertagt worden. Für den erkrankten Oberbürgermeister leitete Dr. Robert Böhmer, der Finanzbürgermeister, die Zusammenkunft. Auch wenn es hier und da anders zu lesen war: Es gab weder einen Eklat noch nahm die Tagung ein jähes Ende, nachzulesen in der vorigen BB-Kolumne.

Die lokale „SZ“ blieb zwar wider besseres Wissen bei ihrer Sicht der Dinge, musste sich in einem Interview mit dem OB Ahrens (abgedruckt in der Ausgabe vom 15./16. Februar) von diesem aber korrigieren lassen: „Die wichtigsten Punkte der Sitzung waren durch. Die Sitzung ist auch nicht abgebrochen worden, sie ist beendet worden, weil – und das ist ein Unterschied – es keine Beschlussfähigkeit mehr gab.“

Warum also der Versuch dieser Skandalisierung? Es ging wohl nur darum, dass es nun nicht mehr möglich war, am Tag von dessen Verleihung über den „Bautzner Friedenspreis“ und über den Verein „Bautzner Frieden“ zu diskutieren. Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke hatten eine entsprechende Erklärung vorbereitet: Der Stadtrat solle sich von der Preisverleihung „entschieden distanzieren“ und den Verein auffordern, den Preis umzubenennen.

Wer allerdings hoffte, damit Erfolg zu haben, muss mit politischer Blindheit geschlagen sein und die Situation im Stadtrat mit den Scheuklappen der Ignoranz sehen. Selbst der SPD-Oberbürgermeister, der sich übrigens an der Auswahl einiger Träger des Friedenspreises durchaus stört, bezeichnet diesen Antrag schlicht und einfach als „unsinnig“.

Alexander Ahrens findet dabei die Idee eines Friedenspreises „grundsätzlich positiv“, möchte das aber gern breiter aufstellen. Was im Klartext heißen könnte: Andere sollen dabei mitreden dürfen. Da dürften Skeptiker hellhörig werden: Also vielleicht sogar vereinnahmen? Doch Ahrens weiß selbst, wie problematisch das alles ist: „Das Thema ist mittlerweile toxisch.“ Sicher weiß er auch, wer da das Gift versprüht. Öffentlich konkreter zu werden, kann man von ihm nicht erwarten. Er sieht das alles wenigstens pragmatisch. Und das ist mehr, als andere tun.

Zwar äußerte sich z.B. Annalena Schmidt nach der Sitzung Ende Januar erstaunlich realistisch. Ihre Aussage, „es wurde mit den Füßen abgestimmt“, war in der „SZ“ zu lesen. Was für sie aber nicht heißt, das auch zu akzeptieren. Bekanntlich sitzt sie als Parteilose mit Claus Gruhl für die Grünen im Stadtrat. Die oben erwähnten drei kleinen Fraktionen wollen ihren Antrag trotz der erhaltenen deutlichen Abfuhr nun nachträglich in der Februar-Sitzung behandelt sehen. Also Verlesung, Rede, Gegenrede – wie auch immer das abläuft, ist es nichts anderes als pure Zeitverschwendung.

Vor vier Wochen wurde den „abtrünnigen“ Stadträten vorgeworfen, nicht ihren Pflichten als Abgeordnete nachzukommen. Ja, es gibt da einige offene Verfahrensfragen. Sind aber in der Sache selbst jetzt noch Diskussionen notwendig? Der Stadtrat als Bühne für politische Onanie? Das dürfte für nur wenige der Anwesenden befriedigend sein. Doch es ist leider so, wie es der Dichter Christian Morgenstern aufschrieb: „Es gibt Menschen, die sich immer angegriffen wähnen, wenn jemand eine (andere) Meinung ausspricht.“

Allerdings kann man es dabei übertreiben. Nach ihrer Wahl zur Stadträtin twitterte Annalena Schmidt: „Bei den Mehrheitsverhältnissen werden wir nicht viel ausrichten können, aber ich werde der Stachel im Fleisch in #Bautzen sein.“ Nicht vergessen: Diese junge Frau trägt den Ehrentitel einer Botschafterin für Demokratie und Toleranz. Warum auch immer.

Es wurde versucht, sie in die gesellschaftliche Arbeit des Stadtrates einzubeziehen. Nach einem Vorschlag von zwei CDU-Stadträten ist Annalena Schmidt nun Sprecherin des Arbeitskreises für sorbische Angelegenheiten. Und das, obwohl die Hessin selbst nach drei Jahren Mitarbeit am Sorbischen Institut nur „rudimentäre (sorbische) Sprachkenntnisse“ besitzt. Na dann „Dobru nóc!“ Zudem twitterte sie noch im vorigen Jahr: „Für mich ist #CDU in #Bautzen mittlerweile genauso ätzend wie die #AfD!“ Es gehört viel Selbstverleugnung dazu, das zu ignorieren.

All jene, die das nicht können, halten es besser wie der Filmproduzent Samuel Goldwyn (1879 – 1974). Und der ist damit sehr alt geworden: „Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit, mit Menschen auszukommen, die man nicht leiden kann.“

Hans-Georg Prause

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