Vom „Grinchmer“ und den Propheten

Wie viel „Grinchmer“ steckt im sächsischen Ministerpräsident? Michael Kretschmer hatte bereits im Vorjahr dazu aufgefordert, zu Heiligabend nicht in die Kirche zu gehen: „Der Heilige Geist ist an...

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Wie viel „Grinchmer“ steckt im sächsischen Ministerpräsident? Michael Kretschmer hatte bereits im Vorjahr dazu aufgefordert, zu Heiligabend nicht in die Kirche zu gehen: „Der Heilige Geist ist an jedem Ort, auch wenn wir noch so alleine sind.“ (WELT online, 16.12.20) Gänzlich von allen guten Geistern verlassen war der Christdemokrat aber wohl, als er sich dieses Jahr erst dafür einsetzte, dass traditionelle Weihnachtsmärkte stattfinden, kurz darauf von den Kommunalpolitikern verlangte, sie doch abzusagen (zum giftgrünen Weihnachtsfeind Grinch gesellte sich also der Schwarze Peter), um letztlich im Freistaat per Notfall-Verordnung so ziemlich alles zur Adventszeit lahmzulegen.

In Kürze tritt nun das überarbeitete, vom neuen Bundestag abgesegnete Infektionsschutzgesetz in Kraft. Es beinhaltet ein ganzes Arsenal von Verordnungen, mit denen es sich vom Kanzleramt aus weiterhin übergriffig regieren lässt. Ob die Landesparlamente ihre Mitspracherechte einfordern werden, bleibt abzuwarten.

Wie sich derzeit in Sachsen zeigt, wo noch bis 12. Dezember eine Corona-Notfall-Verordnung gilt, sind auch ohne die Abgeordneten drastische Auflagen für die Bevölkerung möglich. Den gegenwärtigen „Lockdown light“ sollte niemand auf die leichte Schulter nehmen, nur weil er zeitlich begrenzt ist. Man möchte die Leute auf Linie bringen, aber ihnen die Laune noch nicht ganz verderben. Doch wer bekommt die sprichwörtliche Zahnpasta wieder in die Tube?

Wo bleibt die den vollständig Geimpften versprochene Rückkehr in einen normalen Alltag? Und wie steht es wirklich um deren Gesundheit? Es dürfte ein schwacher Trost für sie sein, nicht ganz so oft wie infizierte Ungeimpfte ins Krankenhaus zu kommen. Aber folgenschweres Impfversagen ist nicht mehr kleinzureden. Der Virologe Alexander Kekulé von der Uni Halle brachte es dieser Tage auf den Punkt: „Geimpfte glauben, sie seien sicher. Man hat sie falsch informiert.“

Wer aber war oder ist „man“? Die Forscher, die Entwickler der Impfstoffe? Die daran unanständig gut verdienende Pharmaindustrie? Oder doch die große Politik und die ihr gegenüber kleinlaute Presse? Das wie ein Mantra hergebetete Schlagwort von der „Pandemie der Ungeimpften“ hat sich jedenfalls als leere Worthülse erwiesen. Um den Berliner Vorzeige-Virologen Christian Drosten zu zitieren: Es gibt eine Pandemie, „zu der alle beitragen – auch die Geimpften, wenn auch etwas weniger.“ 

Trotzdem verbeißt sich die Politik in das Vorhaben, die Bevölkerung um jeden Preis, was auch wörtlich zu nehmen ist, durchzuimpfen. Neuerdings sogar die Kinder! Virologen erklärten bereits im Februar dieses Jahres, wie wenig das bringt. Doch das wurde wieder vergessen oder schon damals nicht beachtet. Der französische Denker und Autor Emilie Chartier (1886-1951) warnte einst davor: „Nichts ist gefährlicher als eine Idee, wenn sie unsere einzige ist.“

Deshalb sollten eigentlich neue Ideen gefragt sein, also wie man etwas anders und eventuell besser mit der Corona-Krise umgehen kann. Der Landkreis Bautzen unterbreitete dazu kürzlich eine 1G-Variante. Was bundesweit Beachtung durchaus fand. Selbst die linke „taz“, die sonst zu gern nur weniger Gutes aus „brown under“ zu berichten weiß, informierte darüber.

Der Gedanke dahinter: Ob nun geimpft, genesen oder ungeimpft – Ansteckungen untereinander sind überall nicht auszuschließen. Wenn aber jeder getestet wird, also 1G gilt, ist tagesaktuell, unabhängig von den Voraussetzungen, vielleicht das mögliche Höchstmaß an Sicherheit gegeben.

Das sahen zu diesem Zeitpunkt nicht wenige Experten ähnlich. Nur in Dresden sah man es anders. Die Bautzener Initiative wurde abgeblockt. Für das zuständige sächsische Ministerium für Wissenschaft passte dieses Modell weder in Corona-Verordnungen des Freistaates noch in bundesrechtliche Regelungen. Kein Gedanke daran, dass diese eben nicht alles abdecken.

Damit nicht genug des schlechten Witzes. Verwiesen wurde noch darauf, dass nach geltender Rechtslage geimpfte und genesende Personen als „negativ getestet“ zu gelten haben. Das ist einfach so, weil es so geschrieben steht? Diese Bürokratie tendiert ganz entschieden zum Fundamentalismus.

Überhaupt: das Testen. Allerorten wurden Testzentren geschlossen, die Tests selbst wurden kostenpflichtig. (Eine inzwischen revidierte Fehlentscheidung.) Man dürfte „denen, die sich nicht impfen lassen, wirklich nicht die Chance geben, die Impfung zu umgehen, indem sie sich freitesten lassen“. So damals der RKI-Chef Lothar Wieler. Nicht nur er wollte den Ungeimpften das Leben so schwer wie möglich machen. Obwohl diese es längst gelernt haben, mit dem gesellschaftlichen Druck umzugehen.

Laut „Berliner Zeitung“ vom 18. November äußerte sich Wieler derart unverblümt ausgerechnet in einer Online-Diskussion mit dem 2G-Vorreiter Michael Kretschmer aus Sachsen, der sich davon eventuell etwas zu sehr inspiriert fühlte; man denke nur an den „harten Wellenbrecher“. Der RKI-Chef sieht sich selbst inzwischen als unverstandener Rufer in der Wüste.

Zu ihnen könnten sich der CSU-Bayer Markus Söder und der Alt-Grüne Winfried Kretschmann gesellen, die nicht nur einen neuen Lockdown ins Gespräch bringen, sondern bereits von einer staatlichen Impfpflicht sprechen. Es fehlt schon jetzt nicht an Nachahmern, die ihnen beflissen nach dem Munde reden. Auch an willfährigen Juristen, die das alles mit dem Grundgesetz auf eine Reihe bringen, dürfte kein Mangel sein.

Und da wäre dann noch Jens Spahn, der an seinen letzten Tagen als Gesundheitsminister versucht, sogar das unverwüstliche Corona-Orakel der SPD, also Karl Lauterbach (der aktuell vor einer „Monster-Welle“ warnt), zu übertreffen: „Wahrscheinlich wird am Ende dieses Winters jeder geimpft, genesen oder gestorben sein“.

Na das ist doch mal eine Prophezeiung! Aber wie heißt es so treffend in „Wolf unter Wölfen“ von Hans Fallada (1893-1947): „Die Zunge ist der Schwachheit schwächster Punkt.“ Das sei Jens Spahn (und nicht nur ihm) ins Stammbuch geschrieben.

Diese selektive Wahrnehmung der Wirklichkeit findet jedoch leider seinen Widerhall in den Medien. Selbst solche peinlichen Äußerungen bleiben zu oft unwidersprochen. Einst Gesagtes wird nur selten nachträglich hinterfragt. Dazu noch ein Fallada-Zitat: „Unordnung wird nicht zur Ordnung, wenn man eine Decke darüber legt.“ Oder, das sei hinzugefügt, den Mantel des Verschweigens.

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