Weißwäscher am Werke?

Also gleich vorweg: Das ist ganz und gar nicht rassistisch gemeint. Alle Verfechter einer politisch korrekten Sprache müssen nicht in Schnappatmung verfallen. (Und, bitte, auch das nicht persönlich...

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Also gleich vorweg: Das ist ganz und gar nicht rassistisch gemeint. Alle Verfechter einer politisch korrekten Sprache müssen nicht in Schnappatmung verfallen. (Und, bitte, auch das nicht persönlich nehmen.) Hier öffentlich das ungute Gefühl zu äußern, dass wenige Tage nach den Vorfällen in der Bautzener Innenstadt (und deren langer Vorgeschichte) der daran beteilige „King Abode“ von manchen Medien und in Social Media- Kanälen weißgewaschen werden soll, ist allein metaphorisch zu verstehen. Die Überschrift bezieht sich (höchstens) auf Bertolt Brecht und seinen Kongress der Weißwäscher. Wer noch ordentlichen Deutsch-Unterricht hatte, der erinnert sich schwach: Das ist eine Agit-Prop-Parabel aus den frühen 1950er Jahren. Nur viel Böswilligkeit vorausgesetzt, denn es geht schließlich um einen jungen Libyer, kann die Weißwäscherei wörtlich genommen werden.

„Er ist ein großer dummer Junge.“ Das sagte eine Bautzenerin der „Sächsischen Zeitung“, die sich bereits seit längerem um Mohamed Youssef T. kümmert, denn so heißt der selbstgekrönte „King“. Warum sie anonym bleiben möchte, wird in dem Artikel („SZ“ vom 10. August, Seite 3) nicht erwähnt. In der MDR-Sendung „Exakt“ gibt sie bereitwillig und ausführlich vor der Kamera Auskunft. Das ist so widersprüchlich wie die Aussage, der junge Libyer werde seit drei Jahren in der Stadt angepöbelt und angegriffen. „Da kann man auch mal durchdrehen.“ Aber ist dieser King Abode nicht erst vor zwei Jahren in einem Schlepperboot über das Mittelmeer nach Europa gekommen? Das erzählte er jedenfalls dem „Oberlausitzer Kurier“. Doch wie auch immer: Während seiner Zeit in Bautzen hat es der junge Mann geschafft, den Anlass für zwei Dutzend Ermittlungsverfahren zu geben. Zu drei Jugendstrafen wurde er bereits verurteilt. Aktuell liegen zwei Anklagen beim Amtsgericht. Oberstaatsanwalt Sebastian Matthieu (Görlitz) hält den Begriff Intensivtäter deshalb durchaus für zutreffend. Alles andere wäre wohl auch Wortklauberei. „Er ist kein böser Mensch“, betont seine Betreuerin. Doch selbst sie muss einräumen, Abode könne ausrasten, wenn er provoziert werde. Angesichts dessen Strafregister scheint das sehr, sehr oft zu passieren. Also Provokationen am laufenden Band.

Auch Torsten Wiegel, der Leiter des Kulturzentrums „Steinhaus“, hat den „King“ nicht als „Troublemaker“, als Unruhestifter kennengelernt. Abode engagiere sich, spiele Theater. Und um es nicht falsch zu verstehen: Letzteres meint Wiegel in diesem Zusammenhang wortwörtlich. „In einem normalen Umfeld ist er ein ganz normaler Mensch.“ So liest man es in der „Sächsischen Zeitung“. So kurz, so gut. Gegenüber dem „Focus“ verwies der Sozialpädagoge allerdings noch auf eine andere Seite des jungen Mannes, den er dabei eine sehr widersprüchliche Persönlichkeit nennt. (Vielleicht war in der Heimatzeitung kein Platz dafür.) Eigentlich spräche bei Abode vieles für eine mögliche Integration, doch bei ihm würden Sozialarbeiter immer wieder an ihre Grenzen stoßen. An deren Bemühungen habe es nicht gelegen. Aber selbst Deutschkurse scheiterten, und die Schuld daran trägt der „King“. Mit dessen ihm eigenen „Gerechtigkeitssinn“ hat das sicher nichts zu tun. „Er hat auch viel Blödsinn im Kopf“, sagt Torsten Wiegel.

Dieser Tage erfährt man manches über diesen jungen Libyer, der die Menschen und Medien so sehr beschäftigt. Bald ist es ein Jahr her, dass er bei den Krawallen auf dem Kornmarkt seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte. Schon damals erlangte er eine zweifelhafte Berühmtheit. Die Gewalttaten sind damals laut Polizeiberichte von den jungen Asylanten ausgegangen; wenig später waren es in den Beiträgen der Medien fast unisono allein deutsche Rechtsextreme, die minderjährige Flüchtlinge durch die Stadt jagten. Das alles ging ganz schnell und wirkt bis heute nach. Wenn jetzt in den Zeitungen bestimmt nicht zufällig Fotos gedruckt wurden, die Adobe im Kreis lachender Kinder zeigen, so gilt es wohl als vergeben und vergessen, dass damals im Internet Bilder auftauchten, die ihn mit einer Kalaschnikow zeigten. Ja, er ist ein Poser, bestätigt Regine Hauswald dem „Focus“. Bei ihr klingt das fast entschuldigend, denn das Problem ist für die CDU-Stadträtin nicht dieser Asylbewerber, sondern allein „das Verkennen von Rechtsextremen“.

Dass ein junger Ausländer, der sich in der Öffentlichkeit so verhält, wie dieser „King“ es tut, allen rechtsextrem orientierten Menschen damit immer wieder eine Steilvorlage gibt, das darf kaum überraschen. Aber wahrlich nicht alle Menschen, denen dieses stets auf die Erregung von Aufmerksamkeit anlegte Auftreten von Adobe missfällt, sind deshalb gleich Rechtsextreme. Der bereits eingangs erwähnte Artikel der „Sächsischen Zeitung“ zielt aber letztlich in diese Richtung. Kein Verständnis wird dafür aufgebracht, welche Probleme der Landkreis und die Stadt mit solchen Quertreibern haben. Denn wo ein „King“ ist, da sind auch Untertanen.

Bekanntlich widersetzte sich Abode unlängst der Verlegung in ein Heim rund 40 Kilometer entfernt von Bautzen. Er kehrte stattdessen zurück in jene Unterkunft, in der er sich doch eigentlich gar nicht wohl fühlte. Das hatte er zumindest dem „Oberlausitzer Kurier“ kurz zuvor so gesagt. Aber wer einen großen Auftritt möchte, der findet ihn dort, wo er ein williges Publikum hat. Und dieses sorgte dann auch schnell dafür, dass die Kunde die Runde machte, der „King“ wolle sich vom Dach stürzen. Dieser hatte sich unerlaubt Zutritt zum Heim verschafft und wurde von zwei anderen Asylbewerbern dabei unterstützt. Der Marokkaner und der Sudanese legten sich für ihn sogar mit der Polizei an. Einer von ihnen war angetrunken und stand unter Drogen. Nun ermittelt die Kriminalpolizei. Ach so, es war selbstverständlich auch jemand vor Ort, der das Fernsehen informiert. Fast schon amerikanischen Verhältnisse in Ostsachsen. Ohne PR läuft heutzutage nichts mehr.

Passiert ist letztlich nichts. Außer Spesen nichts gewesen, doch das weiß man immer erst nachher. Wie ernst es Abode mit einem Selbstmord war, weiß nur er allein. Aus dem Krankenhaus wurde er bereits nach zwei Tagen wieder entlassen. Eine psychologische Beobachtung nach einem Suizidversuch sieht bestimmt anders aus. Inzwischen soll Mohamed Youssef T. wieder in einem Heim untergebracht sein. Wo auch immer das ist: Möge er dort bleiben.

Aufschlussreich ist da der Standpunkt von Peter Kilian Rausch, geäußert gegenüber der „SZ“, der in seinem umgewidmeten Spreehotel draußen am Stausee viel mit Migranten zu tun hatte und Abode kennt. „Das Beste, was ihm passieren könnte, wäre, wenn er ohne seine Vorgeschichte irgendwo noch mal von null anfangen könnte.“ Damit plädiert er für das, was auch der Landkreis möchte, aber nach Gesetzeslage nicht darf. „In Bautzen hat er jetzt eine Aufmerksamkeit, die er gar nicht verdient.“ Sagt Rausch. Sein Wort vielleicht nicht gleich in Gottes, aber bitte wenigstens der Medien Ohr!

Hans-Georg Prause

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