„Husarenhof“: Eine Brandnacht und die Folgen

Vor einem Jahr brannte der „Husarenhof“. Der zerstörte Dachstuhl erinnert noch immer an ein Ereignis, das Bautzen verändert hat. Erst kürzlich wurde wieder versucht, die längst zerflederte provisorische...

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Vor einem Jahr brannte der „Husarenhof“. Der zerstörte Dachstuhl erinnert noch immer an ein Ereignis, das Bautzen verändert hat. Erst kürzlich wurde wieder versucht, die längst zerflederte provisorische Abdeckung über den verkohlten Sparren zu erneuern. Vergebliche Liebesmüh‘, aber irgendwie zugleich ein Sinnbild dafür, wie leichtfertig mit diesem Vorfall umgegangen wird. Auch und gerade in der öffentlichen Diskussion. Der Brand ist immer noch für Schlagzeilen gut. Manch einer kocht darauf sein politisches Süppchen.

Nach der Brandnacht vom 21. Februar 2016 berichtete auch der „Bautzener Bote“ und zitierte dabei den CDU-Landtagsabgeordneten Marko Schiemann. Dieser war an jenem Sonntagmorgen vor Ort und hatte bereits mit den Einsatzkräften gesprochen. Diesen direkten Kontakt suchten andere PolitikerInnen nicht, was diese nicht daran hinderte, gewissermaßen profaktisch Schuldzuweisungen zu verteilen. Schiemann sagte damals: „Wir brauchen nun schnelle Klarheit darüber, wie es zu dem Feuer kam. Sollte sich herausstellen, dass hier Brandstifter am Werk waren, müssen die Täter schnellstens ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden.“ Teil eins dieser Forderung war bereits wenige Stunden später erfüllt. Das Urteil der Experten lautete: Es war Brandstiftung.

Darauf, dass die Täter gefasst und verurteilt werden, warten die Bautzener aber noch immer. Es gab einige Hinweise, jedoch keine Beweise – weder für einen fremdenfeindlichen Anschlag noch für ein wirtschaftlich motiviertes Verbrechen. Dass laut Polizei, Staatsanwaltschaft und Staatsschutz von Anfang an in alle Richtungen ermittelt werde, fand in der Berichterstattung der Presse allerdings kaum Beachtung. So wenig, wie sich Journalisten die Mühe machten, das Vorher zu recherchieren.

Erinnern wir uns: Zu Hunderttausenden kamen Flüchtlinge voriges Jahr nach Deutschland. Überall wurden Unterkünfte geschaffen oder einfach requiriert. Während ein Teil der Bevölkerung dafür Beifall klatschte, schüttelte der andere Teil die Köpfe. Die Politik versuchte, das alles zu erklären. Mit deren Glaubwürdigkeit war es aber nicht mehr gut bestellt. So manche Äußerung würde man heute Fake News nennen. Gesprochen wurde zum Beispiel von vor dem Krieg flüchtenden Familien mit Kindern. Doch es kamen junge Männer. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb bereits am 27. Juli 2016: „In der Gruppe der 14- bis 34-Jährigen, die 54 Prozent der Flüchtlinge ausmachte, ist das anders: Drei von vier Bewerbern waren männlich.“ Und das mit den hochgebildeten Syriern war wohl auch eher ein  Wunschdenken. Die Erwähnung der „Anwälte und Ärzte“ wurde schnell zum Running Gag. In der „ZEIT“ war am 3. Dezember 2016 zu lesen: „Zwei Drittel können kaum lesen und schreiben“.

In Bautzen lebten damals bereits 600 Flüchtlinge. In der Stadt und im Landkreis mussten viele Unterkünfte geschaffen werden. Die Verwaltung stand unter Druck. Das ist die eine Seite. Dass darüber die Befindlichkeiten der Bürger außer Acht gelassen wurden, ist die andere. Wie geschehen beim „Husarenhof“, kurz zuvor noch Hotel mit Gaststätte: Die Einrichtung eines Flüchtlingsheimes mit 300 Plätzen am Käthe-Kollwitz-Platz – Bezugstermin bereits der 1. März 2016 – überraschte Ende 2015 die Anwohner des Stadtteiles ebenso wie die Mieter des Gebäudekomplexes, wozu auch eine Arztpraxis gehörte. Wenige Tage vor Weihnachten hatte das Landratsamt den entsprechenden Vertrag mit dem Vermieter unterschrieben. Kein Gedanke daran, vorher das Gespräch mit den Anwohnern zu suchen. Diese haben es zu Silvester aus der Zeitung erfahren. Die Reaktionen waren entsprechend. Groß war der Ärger, als auch noch die benachbarte Husarenkaserne als weiteres Flüchtlingsheim ins Gespräch gebracht wurde. Das Landratsamt dementierte etwas halbherzig. Für Beruhigung sorgte das deshalb kaum.

Wen wundert es also, dass damals bei vielen Bürgern in diesem Stadtviertel die Nerven blank lagen? Man muss das nicht verstehen, man kann das sogar anders sehen, doch sollte es keinen überraschen, wenn da selbst grobe Unmutsäußerungen laut werden. Es wird wohl kaum jemand bestreiten wollen, dass es beifällige Bekundungen gab, als nachts der „Husarenhof“ in Flammen stand. Wer nun den moralischen Zeigefinger heben möchte, er tue es. Aber das alles wäre längst vergessen und vielleicht auch vergeben, hätten die Medien daraus nicht ein Dauerthema gemacht.

Als auf die Schnelle keine rechtsextremistischen Brandstifter zur Hand waren, konzentrierten sich viele Recherchen auf die „massive Behinderung der Löscharbeiten“. Um das ad absurdum zu führen, reichte schon damals ein Klick auf die Homepage der Stadt Bautzen, wo der Einsatz der Feuerwehren im Detail und mit Anmerkungen beschrieben wurde. Doch viel spektakulärer war doch das mit den Störern! Die auch noch Alkohol getrunken hatten, wie verwerflich. Inzwischen standen jene drei jungen Kerle, die sich in der Brandnacht mit der Polizei anlegten, vor dem Richter. Es wurde zwar nochmal versucht, daraus Schlagzeilen zu machen, aber da war eben wenig bis nichts. Der Jugendrichter ließ es gar nicht erst zu einem Schauprozess kommen.

Anfang Juli vorigen Jahres war dann auf der Lokalseite der „SZ“ ganz groß von einer „heißen Spur“ (wie originell!) zu lesen. Es gab Haussuchungen. Es wurden Handys beschlagnahmt. Anderes war wohl nicht zu finden. Die zwei Tatverdächtigen waren der Polizei bereits wegen einiger krimineller Delikte bekannt. Etwa einen Monat danach stand in einer längeren „SZ“-Meldung immer noch, dass die zwei Männer den Brand gelegt haben sollen. Bezüge zur rechtsextremen Szene konnten allerdings bislang (!) nicht gefunden werden. (Da liest man doch das ungeschriebene „leider“ mit.) Danach wurde es still um diese Ermittlungen. Und ihre Handys haben die Verdächtigen auch zurück …

Anfang dieses Jahres machte dann MDR Exakt auf Enthüllungsjournalismus. Dem TV-Magazin sei ein Video zugespielt worden, sehr schockierend. Dumm nur, dass wohl jeder interessierte Bautzener diese – von ihm etwas dummdreist kommentierten – Aufnahmen eines Dachdeckers von der Brandstätte bereits kannte, der Mann schon von seiner Firma entlassen worden war und die Staatsanwaltschaft informiert war.

Was nun? Na waren da nicht noch jene Schaulustigen, die das Feuer bejubelten? Darüber schrieb zuerst die „Morgenpost“, die am 21. Februar 2016 frühmorgens tatsächlich auf dem Käthe-Kollwitz-Platz war, sich umsah und umhörte. (Davon haben sich danach einige Kollegen anderswo in warmen Redaktionsstuben wohl inspirieren lassen und als eigene Zutaten in ihren Beiträgen die Wortwahl verschärft und die Lage dramatisiert, Stichwort: der johlende Mob.) Bei der Polizei und Staatsanwaltschaft sah man das wahrscheinlich etwas gelassener. Wer öfters bei politischen Hahnenkämpfen am Rande von Kundgebungen und Demonstrationen sowie regelmäßig wegen Fan-Randale bei Fußballspielen eingreifen und ermitteln muss, dürfte das kurzzeitige Lautwerden einiger Krakeeler in einer Brandnacht eher gelassen sehen. Oder kurz gesagt: Wer beim Denken keinen Schaum vor dem Mund hat, wird das Verhältnismäßigkeit nennen.

Und so mutet es auch etwas absurd an, dass die Generalstaatsanwaltschaft jetzt auf einmal neue Ermittlungen eingeleitet haben soll, weil sich kürzlich – also fast ein Jahr danach – ein Feuerwehrmann dahin gehend geäußert hat, in der Brandnacht hätte es aus einer Gruppe von Menschen heraus Rufe wie „Brennt die Hütte nieder“ gegeben. Der von ihm benannte „Tatort“ lag allerdings rund 100 Meter abseits des „Husarenhofes“ in Höhe Dr.-Peter-Jordan-Straße. Die laut Feuerwehr um die 20 bis 30 Schaulustigen hatten sich ja eigentlich eher auf der Schlachthofstraße, am Käthe-Kollwitz-Platz bzw. auf dem Aldi-Parkplatz auf der Rückseite des brennenden Hotels eingefunden. Es dürfte schwierig werden, etwas zu ermitteln, was berechtigten Zweifeln standhält. Und bitte nicht vergessen: Gesucht wird doch noch immer ein Brandstifter!

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