Die Selbstverleugnung der Tradition

Gedanken zur neuen Weihnachtskrippe des 642. Bautzener Wenzelsmarktes Es wird Menschen geben, die sich wehmütig die alte Krippe zurückwünschen, und andere werden die neue Krippe als längst notwendige...

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Gedanken zur neuen Weihnachtskrippe des 642. Bautzener Wenzelsmarktes

Es wird Menschen geben, die sich wehmütig die alte Krippe zurückwünschen, und andere werden die neue Krippe als längst notwendige Verachtung gestalterischer Tradition fortschrittlich preisen. Vermeintlich Kluge werden sagen: Über Geschmack läßt sich eben streiten. Das stimmte aber noch nie. Entweder man hat Geschmack, oder man hat keinen, denn Geschmack ist, wenn es nicht ums Essen geht, gestalterisches Urteilsvermögen und dafür ist eine gewisser Bildungsstand unerläßlich, auch für Mandatsträger.

Die neue Bautzener Krippe liefert den Beweis, daß mangelnde gestalterische Fähigkeiten gepaart mit progressiver Gesinnung christliches Kulturgut nicht überzeugend und zu Herzen gehend darstellen können. Man schaue sich nur das Kindlein in der Krippe an – das soll der Heiland sein? Und die anderen Figuren, sie sehen aus wie deformierte Körper in Säcke gehüllt, erstarrt an den Boden gedrückt. Der populistische Reflex der Krippenhersteller für diese Sackgestalten kommt doch nicht aus sächsisch-böhmischer Tradition. Warum läßt man sich in Bautzen so etwas Kulturfernes unterjubeln? Warum erfolgte nicht die Beauftragung eines einheimischen Künstlers mit der Formensprache sächsischer Weihnachtstradition, warum Traditionsverweigerung?

Die Bautzener Krippe steht wie unser ganzes Land auf der Kippe zur Lächerlichkeit, zum Niedergang und zur Selbstaufgabe. Sie ist ein Symbol des allgemeinen Irrsinns und wurde dementsprechend auch von der CDU-Fraktion im Stadtrat angeregt. Die traditionelle Ausführung der alten Krippe stieß den christlichen Genossen wohl zu sauer auf. Die fundamentale Korrektur überlieferter Darstellung ohne zwingenden Grund, ist nichts weiter als Traditionsverrat. Es offenbart sich darin die kulturelle Schieflage der Mehrheit städtischer Entscheidungsträger in Bautzen.

Wenn man die neue Krippe aber positiv sieht, könnte sie ein Augenöffner für von Vernunft, Gestaltungskraft und Änderungswillen geleiteter Stadtbürger sein, denn von einer Krippe ging vor über 2000 Jahren sogar Weltveränderung aus.

Peter Schulze, Bautzen

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