Immer weniger Hebammen können Geburtshilfe leisten

Explodierte Prämien für die Haftpflichtversicherung gefährden den Berufsstand Foto: www.saechsischer-hebammenverband.de Frauen, die sich auf die Geburt ihres Kindes vorbereiten, wollen meistens auch die Hebamme ihres Vertrauens anwesend wissen....

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Explodierte Prämien für die Haftpflichtversicherung gefährden den Berufsstand

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Foto: www.saechsischer-hebammenverband.de

Frauen, die sich auf die Geburt ihres Kindes vorbereiten, wollen meistens auch die Hebamme ihres Vertrauens anwesend wissen. Doch die fürsorglichen Geburtshelferinnen, die alles tun, damit ein Kind gesund auf die Welt kommt, haben es seit Jahren immer schwerer, das Ausüben ihres Berufs zu finanzieren. Grund sind die explodierten Prämien für die Haftpflichtversicherung einer Hebamme. Kam ein Kind durch Verschulden der Hebamme zu Schaden, trug bis 2006 seine Krankenversicherung die Kosten. Nach der neuen Regelung muss nun die Haftpflichtversicherung der Hebamme dafür aufkommen – möglicherweise das ganze Leben des Kindes lang. Während bei Festangestellten der Arbeitgeber für die Kosten aufkommt, müssen die freiberuflichen Kolleginnen alles selbst finanzieren. Mit insgesamt 4242 Euro pro Jahr kommen dabei beachtliche Beträge zusammen. Dass diese hohen Prämien für Hebammen, die im Durchschnitt etwa 7,50 Euro in der Stunde verdienen, fast schon unbezahlbar sind, versteht sich von selbst. Die Landesverbände befürchten deshalb, dass viele ihrer Kolleginnen aus der Geburtshilfe aussteigen und sich nur noch mit Vor- und Nachsorge beschäftigen. Die Hebammen fordern von der Politik staatliche Unterstützung, damit sie weiterhin ihren Job ausüben können. Der Bautzener Bote hat mit Grit Kretschmar-Zimmer, der Vorsitzenden des Sächsischen Hebammenverbandes gesprochen.

BB: Frau Kretschmar-Zimmer, wie ist die aktuelle Situation in Sachsen? Finden werdende Eltern noch Hebammen, die bei der Geburt dabei sind?

Kretschmar-Zimmer: Es wird immer schwieriger. Ich bekomme jede Woche zahlreiche Anfragen auf meinen Schreibtisch mit der Bitte, eine Kollegin zu vermitteln. Da aber viele wegen der hohen Versicherungsprämien keine Geburtshilfe mehr anbieten, sind die wenigen, die es noch machen, oft überlastet.

BB: Wie haben sich die Beiträge denn in den letzten Jahren entwickelt?

Kretschmar-Zimmer: 1996 lag die Versicherungsprämie noch bei knapp 360 Euro. 2010 waren es dann insgesamt 2370 Euro. Unsere Honorare wurden aber nicht angepasst, obwohl uns die Bundesregierung drei Erhöhungstufen versprochen hatte. Umgesetzt wurde aber nur eine. Damit sind wir mit einem Rückstand von 30 Prozent in die Selbstverwaltung entlassen worden. Eine Erhöhung unserer Gelder wird also immer auf diesem niedrigen Niveau stattfinden.

BB: Wer ist Schuld an diesem Dilemma?

Kretschmar-Zimmer: Nach Meinung der Politiker die Krankenkassen. Und die schieben den Politikern den schwarzen Peter zu. So richtig verantwortlich fühlt sich keiner. Und wir Hebammen haben das Gefühl, dass man uns am ausgestreckten Arm verhungern lässt.

BB: Wer hat Ihrer Meinung nach das Problem verursacht?

Kretschmar-Zimmer: Auf jeden Fall nicht die Krankenkassen. Die Kosten für eine medizinische Versorgung sind allgemein in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Wenn es bei der Geburt zu Komplikationen kommt, kann es sein, dass die Versicherung für alles zahlen muss – Reha-Maßnahmen, Hilfsmittel, um den Alltag des Kindes zu erleichtern, Lebenshaltungskosten. Und das ein Leben lang. Die Deckungssummen liegen aktuell bei sechs Millionen Euro. Außerdem sind wir Hebammen eine vergleichsweise kleine Gruppe. Wären wir mehr, würden auch die Beiträge der einzelnen geringer sein.

BB: Sind Versicherungen überhaupt noch bereit, bei all dem Risiko eine Hebamme aufzunehmen?

Kretschmar-Zimmer: Eigentlich können wir froh sein, wenn wir überhaupt noch eine Versicherung finden.

BB: Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufsstandes?

Kretschmar-Zimmer: Ich halte es da mit Martin Luther und sage mir: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich selbst arbeite zur Zeit 50 Prozent für unseren Berufsverband und die andere Hälfte in der Vor- und Nachsorge einer Geburt. Gern würde ich auch wieder Geburtshilfe machen, kann mir das aber momentan finanziell nicht leisten.

 BB: Wollen junge Frauen vor diesem Hintergrund noch Hebammen werden?

Kretschmar-Zimmer: Die Zahl der Bewerbungen geht leider deutlich zurück. Aber auch da hab ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Schließlich sind wir nicht die einzige Berufsgruppe, die Probleme hat. Trotzdem werde ich für uns Hebammen kämpfen, bis zum bitteren Ende, wenn es sein muß!

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