Würdigung für Willy Wimmer

Also das war dann wohl das, was man für gewöhnlich einen Rohrkrepierer nennt. Bekanntlich wurde unlängst mit dem Bautzener Unternehmer Jörg Drews einer der Unterstützer der Bürgerinitiative „Wir...

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Also das war dann wohl das, was man für gewöhnlich einen Rohrkrepierer nennt. Bekanntlich wurde unlängst mit dem Bautzener Unternehmer Jörg Drews einer der Unterstützer der Bürgerinitiative „Wir sind Deutschland“ bzw. der überparteilichen Vortragsreihe „Von Bürgern für Bürger“ in einschlägig bekannten Internet-Foren über das leider schon übliche Maß hinaus von einigen linken Verschwörungstheoretikern als „den Reichsbürgern nahestehend“ diffamiert. Als dann auch noch die Lokalredaktion der „Sächsischen Zeitung“ diese Vorwürfe – ohne sie gründlich zu hinterfragen – öffentlich machte, stellten sich viele Bürger und Vereine eindeutig hinter den Geschäftsführer von Hentschke Bau. Deutliche Kritik an diesen Unterstellungen gab es auch von Stadtratsfraktionen – selbst von jenen, die in politischen Fragen nicht mit Jörg Drews übereinstimmen. Außerdem steht noch immer und bislang unbelegt der böse Vorwurf im Raum, die Bautzener Stadtpolitik sei mit wenigen Ausnahmen käuflich (so die Toleranz-Botschafterin Annalena Schmidt) bzw. das sei im Einzelfall möglich (meint der Grünen-Stadtrat Claus Gruhl). Dieser sträflich leichtfertig geäußerte Verdacht der Korruption dürfte allen ehrenamtlichen Volksvertreter ganz persönlich an die Ehre gehen. Man darf gespannt sein, ob darüber bei der Sitzung des Stadtrates am 29. August gesprochen wird. Und ob dann die lokale „SZ“ davon berichtet.

Dass sich in die anerkennenden Worte vieler Bautzener über die gesellschaftliche Mitwirkung des Jörg Drews als Unternehmer, Unterstützer und als Sponsor sogar eine Stimme aus dem Rheinland mischte, überraschte in dem Moment nicht mehr, als der Absender der E-Mail bekannt wurde. Von einem „lobenswerten Engagement für die politische Kultur in der Region“ schrieb Willy Wimmer. Mehr als drei Jahrzehnte saß dieser für die CDU im Deutschen Bundestag, war außerdem Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Nach seiner aktiven Zeit in der Politik ging er eigentlich nur pro forma in den Ruhestand, blieb ein hellwacher und kritischer Beobachter der gesellschaftlichen Veränderungen, schrieb darüber inzwischen drei Bücher, hielt viele Vorträge, pflegte seine politischen Kontakte. Wiederholt war Willy Wimmer in Bautzen zu Gast – zuletzt in der vorigen Woche, um im Hotel & Restaurant „Residence“ sein neues Buch „Deutschland im Umbruch“ vorzustellen.

So unspektakulär sachlich der Titel dieser Neuerscheinung lautet, so brisant ist die Unterzeile dazu: „Vom Diskurs zum Konkurs – eine Republik wird abgewickelt“. Was Willy Wimmer als einen erfahrenen Mann vom Jahrgang 1943, der einen Gutteil seines Lebens in der Politik an wichtigen Stellen aktiv war, in unseren Tagen beunruhigt, das liest sich im Vorwort über die Zeit nach dem Zerfall der alten Weltordnung u.a. wie folgt:

„Alles wurde damit umgestellt: Deutschland war nicht länger ein Nationalstaat mit starken demokratischen Strukturen, sondern folgte nun einer Ordnung, die allein an den Interessen global agierender, zumeist amerikanischer Konzerne ausgerichtet war. Zusammen mit der von Angela Merkel eingeforderten ‚marktgerechten Demokratie‘ sowie den Neuerungen des ‚Maastricher Vertrages‘ bedeutete dies das Ende unseres auf Konsens ausgerichteten Staatswesens, die Beseitigung des sozialen und wirtschaftlichen Rückgrats Deutschlands; die Agenda 2010 war der passende Sargnagel.“

In seinem Vortrag in Bautzen brachte es Wimmer – hier verkürzt gesagt – auf den Nenner „Turbo-Kapitalismus statt Soziale Marktwirtschaft“. Er kritisierte, die Bürger würden nur noch als Konsumenten und Steuerzahler angesehen. Lobbyisten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hätten schon jetzt viel zu viel Einfluss auf die Politik der Berliner Republik gewonnen. Das Kanzleramt als Schaltstelle der Macht habe den demokratisch gewählten Bundestag quasi entmachtet. Regiert werde über die Köpfe der Abgeordneten hinweg, über die der Bürger sowieso.

Heute laufe alles über Entscheidungen in der NATO und der EU, so Willy Wimmer, und das ist in seinen Augen eine sehr gefährliche Entwicklung. Insbesondere warnt er davor, dass Deutschland zum militärischen Aufmarschgebiet werden könnte. Das sind Befürchtungen, die nicht zuletzt die Oberlausitzer angesichts jener Militärkonvois auf den Autobahnen und Eisenbahnstrecken, die immer öfter Richtung Osten unterwegs sind, nur zu gut nachvollziehen können. Und es könne nicht sein, meint Wimmer, dass eine Ursula von der Leyen die Bundeswehr auf immer neue Kriegsschauplätze in der Welt schickt – wohlgemerkt als Verteidigungs(!)ministerin.

In seinem aktuellen Buch über Deutschland im Umbruch finden sich dazu im Anhang aufschlussreiche Zahlen, Fakten und Tabellen. So waren Ende November 2017 rund 3700 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz. Die Kosten beliefen sich auf ca. 19 Milliarden Euro. Und was am schlimmsten ist: Bis Mitte Dezember vorigen Jahres gab es 108 Todesfälle – „durch Fremdeinwirkung und sonstige Umstände“, wie es in der die bittere Wirklichkeit verbrämenden Sprache der Politik heißt. Da fällt einem unwillkürlich jener Spruch ein, der so oder etwas variiert Paul Valéry zugeschrieben wird: „Krieg ist ein Massaker von Leuten, die sich nicht kennen, zum Nutzen von Leuten, die sich kennen, aber nicht massakrieren.“

Wenn Willy Wimmer von akuten Gefahren für den Frieden in der Welt spricht – auch in Europa, in Deutschland, nicht nur irgendwo in fernen Ländern -, dann sollte man hinhören. Ihm wurde wegen seiner Ablehnung des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen Jugoslawien Ende der 1990er Jahre, bei dem Außenminister Joschka Fischer/Grüne und Verteidigungsminister Rudolf Scharping/SPD recht umstritten agierten, von seiner eigenen Partei, also der CDU, das Rederecht im Plenum des Bundestages verweigert. Umso energischer setzte er sich später mit anderen Mitgliedern des Bundestages über die von der Politik gezogenen Fraktionsgrenzen hinweg für die unbedingte Beibehaltung des sogenannten Parlamentsvorbehaltes beim Einsatz der Bundeswehr ein. Als Mitstreiter an seiner Seite nennt Willy Wimmer dabei ausdrücklich die Abgeordnete der Linken, Sevim Dagdelen, und den ehemaligen SPD-Abgeordneten Albrecht Müller.

Damals gab es in Berlin bei den genannten Akteuren außer in der Frage, wie bzw. ob überhaupt das Parlament die Kontrolle über Einsätze der Bundeswehr behalten kann, kaum weitere politische Übereinstimmungen. Sie fanden aber trotzdem zusammen. Heutzutage wird in Bautzen dagegen kräftig gespalten, wenn es um den bürgerschaftlichen Einsatz für den Frieden, gegen Militarismus und Krieg geht. Eigentlich war das mal eine zutiefst linke Losung. Doch für die heutigen Sektierer ist „Friedensquerfront“ ein von ihnen bewusst negativ besetztes Schlagwort. Sie verweigern sich dem menschlich so verständlichen Anliegen, gemeinsam Front zu machen gegen die Aufrüstung, gegen den Waffenhandel und für den Frieden, wie paradox!

Doch das Friedensfest des Vereins „Bautzener Frieden“ findet natürlich auch ohne sie statt: am Samstag, dem 1. September ab 12 Uhr auf dem Kornmarkt zu Fuße des Reichenturms im Rahmen des ersten Bautzener Altstadtfestes. Allerdings hat Kristina Schröder (CDU), einst vier Jahre Bundesministerin für Familie und Frauen im Kabinett Merkel, wohl leider recht: „Die Linke hat die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ausgeweitet. Vom Staat unterstützt wird alles bekämpft, was nicht links ist …“ Ihren Beitrag für die WELT (24. August) brachte die Redaktion in der Schlagzeile so auf den Punkt: „Der ‚Kampf gegen rechts‘ zielt auf die bürgerliche Mitte“.

Und was hat das noch mit Willy Wimmer zu tun? Sehr viel. Denn der Verein „Bautzener Frieden“ verleiht bekanntlich aller zwei Jahre einen Friedenspreis. Vorstandsmitglied Johannes Wenzel überraschte zum Abschluss der jüngsten Veranstaltung mit dem Vorschlag, diese Ehrung für 2019 dem Gast des Abends zuteilwerden zu lassen. Den herzlichen Applaus der Besucher konnte man nicht anders als eine starke Akklamation verstehen.        

Hans-Georg Prause

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